Sobald die Bundesnotbremse außer Kraft tritt, gelten in Nordrhein-Westfalen wieder die Regeln der Coronaschutzverordnung des Landes. Auch die Gastronomie muss sich an die dort genannten Vorgaben halten, wenn Restaurants und Kneipen wieder geöffnet werden sollen. Maßgeblich ist derzeit die Coronaschutzverordnung in der Fassung vom 15. Mai 2021. Aber was bedeutet das für Abstands- und Maskenpflicht?
Anders als bei den Vorgängern aus dem Jahr 2020, werden besondere Regeln für die Gastronomie nicht mehr in einer Anlage zur Verordnung festgehalten. Die Verordnung stellt in den §§ 1 bis 4c CoronaSchVO vielmehr Regeln auf, die für alle Veranstaltungen und Betriebe gelten. Mit der Gastronomie im Besonderen befasst sich § 14 CoronaSchVO.
Der Betrieb von Restaurants, Kneipen und anderen gastronomischen Einrichtungen ist danach im Außenbereich grundsätzlich zulässig. Gäste und Bedienung müssen allerdings einen bestätigten negativen Schnell- oder Selbsttest vorlegen können. Gästen muss ein Sitzplatz, an Theken oder Stehtischen ein Stehplatz zugewiesen werden. Der Aufenthalt an einer Theke ist also wieder erlaubt – vorausgesetzt natürlich, die Theke befindet sich im Außenbereich.
Interessant wird es aber bei der Frage, wie mit Mindestabstand und Maskenpflicht umgegangen werden soll.
Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern muss im öffentlichen Raum immer dann eingehalten werden, wenn die Verordnung nichts anderes bestimmt oder die Einhaltung des Mindestabstands ausnahmsweise aus medizinischen, rechtlichen, ethischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist, § 2 Abs. 1b CoronaSchVO. Ausnahmen, die nur für die Gastronomie gelten, kennt die neue Verordnung nicht. Maßgeblich sind daher vor allem § 2 Abs. 2 Nr. 1, 1a und 1b CoronaSchVO. Weniger als anderthalb Meter Abstand müssen danach völlig unabhängig von Anzahl Personen untereiander halten, die in einem Haushalt zusammenwohnen, also aus einem Kühlschrank essen. Die dürfen dann immer auch mit einer haushaltsfremden Person zusammen stehen oder sitzen. Pärchen dürfen den Mindestabstand unterschreiten, auch wenn sie nicht zusammenwohnen. Eine Höchstbegrenzung auf fünf Personen gilt, wenn zwei Haushalte sich treffen. Kinder unter 14 Jahren zählen generell nicht mit. Ganz schön kompliziert, aber wohl so gewollt.
Der Gastwirt sollte also vor allem darauf achten, ob bei weniger als fünf Personen an einem Tisch tatsächlich nur zwei Haushalte angetroffen werden und ob bei mehr als fünf Personen an einem Tisch alle aus einem einzigen Haushalt kommen. Ob und wie der Gastwirt das kontrollieren muss, ist ungeklärt. Ein Bußgeld riskiert er aber wohl nicht, weil ordnungswidrig nur die Personen handeln, die den Abstand nicht einhalten, § 18 Abs. 2 Nr. 1b CoronaSchVO.
Das in der Außengastronomie eingesetzte Personal muss nach unserem Dafürhalten keine Maske tragen. Die Maskenpflicht ist in § 3 Abs. 2 und 2a CoronaSchVO geregelt. Die in Absatz 2 aufgezählten Situationen betreffen außer den körpernahen Dienstleistungen (Nr. 3) und Gottesdiensten (Nr. 4) nur geschlossene Räume. Auch Absatz 3 enthält keine Regelungen für die Außengastronomie. Erst recht müssen deshalb Gäste am Tisch keine Masken tragen. Wenn ein Gast sich abseits seines Platzes mit anderen Gästen unterhalten möchte, darf er das wegen § 2 Abs. 3 CoronaSchVO wohl auch dann, wenn er den Mindestabstand nicht wahrt. Das Gespräch mit fremden Gästen dürfte jedenfalls in Kneipen zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Außengastronomie dazugehören. Nur muss dann etwa Abstand gewahrt oder zumindest eine Alltagsmaske getragen werden. Soweit eine Maskenpflicht besteht, darf die Maske nach § 3 Abs. 6 CoronaSchVO übrigens nur dann abgenommen werden, wenn das zur »notwendigen« Einnahme von Speisen und Getränken erforderlich ist. In dem Zusammenhang stellt sich natürlich nicht nur die Frage, wann die Einnahme etwa eines Weizenbiers notwendig ist, sondern auch, ob die Maske nach jedem einzelnen Schluck wieder aufgesetzt werden muss.
In § 4 CoronaSchVO werden dann generell Hygiene- und Infektionsschutzanforderungen und Tests angesprochen. Die in § 4 Abs. 1 CoronaSchVO angesprochenen Maßnahmen kennen Gastronomen schon aus den Vorgaben, die im Jahr 2020 gegolten haben, also etwa Gelegenheiten zur Händehygiene, Reinigung von Kontaktflächen und Sanitärbereichen und das Spülen bei mindestens 60 Grad Celsius. Erinnert werden soll an dieser Stelle daran, dass die Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von Gelegenheiten zum Händewaschen und zur Händehygiene auch für die Außengastronomie gilt.
Die Tests, die nach § 4 Abs. 4 CoronaSchVO vorzuweisen sind, müssen zwingend in einem offiziell anerkannten Testzentrum durchgeführt worden sein. Das liegt daran, dass Selbsttest zwar grundsätzlich erlaubt sind, aber nur dann, wenn sie von einer Teststelle bestätigt wurden. Der DEHOGA teilte seinen Mitgliedern aber mit, dass er mit dem Ministerium verhandelt, ob es nicht ausreicht, wenn der Selbsttest unter Aufsicht des Personals in der Gaststätte durchgeführt wird.
Auch die Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit sind nicht neu. Wie schon im Jahr 2020 muss jeder anwesende Gast, Name, Adresse, Telefonnummer und den Zeitraum seines Aufenthalts angeben. Die Erfassung dieser Daten muss zwingend in Papierform erfolgen (»schriftlich«), eine digitale Erfassung ist nur zusätzlich möglich. Es fragt sich nach wie vor, was der Verordnungsgeber sich dabei vorgestellt hat. Wir können uns kaum vorstellen, dass ein Gastwirt zusätzlich zur ohnehin erforderlichen Zettelwirtschaft auch noch digitale Apps einsetzen möchte. Zu erfassen ist außerdem, welcher Gast wo gesessen hat. Bei Stammgästen, deren Adressen und Telefonnummer dem Gastwirt bereits bekannt sind, bedarf es der Erfassung dieser Daten nicht mehr, § 2 S. 2 CoronaSchVO.
Darüber, ob die generellen Vorgaben der Coronaschutzverordnung, also insbesondere Abstands- und Maskenpflicht, für die Gastronomie überhaupt gelten, kann man allerdings auch trefflich streiten. Die Einhaltung von Mindestabstand und die Maskenpflicht gelten in Nordrhein-Westfalen nämlich seit jeher nur für den öffentlichen Bereich, nicht für das eigene oder fremde Zuhause. Für die Außengastronomie gibt es, wie zuvor dargestellt, keine besonderen Regeln, die Mindestabstand und Maskenpflicht betreffen. Die Coronaschutzverordnung regelt nur generell das Verhalten im öffentlichen Raum. Das sollen nach der Vorstellung des Verordnungsgebers gemäß § 1 a Abs. 2 S. 1 CoronaSchVO alle Bereiche mit Ausnahme des durch Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) geschützten Bereichs. Gemeint ist damit vor allem die eigene Wohnung, der Garten, die Garage und der Keller, also das »befriedete Besitztum«. Übersehen hat der Verordnungsgeber aber offenbar, dass nach der vorherrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur zu dem durch Artikel 13 GG geschützten Bereich auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume zählen. Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach ausdrücklich festgehalten. Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Feiertagsruhe auch für Gaststätten gilt, hat das Oberverwaltungsgericht Münster zwar entschieden, dass hier ein spezifisch feiertagsrechtlicher Wohnungsbegriff gilt, dem grundsätzlich nur Privatwohnungen unterfallen. Zu berücksichtigen ist aber, dass das Land Nordrhein-Westfalen sich in der Coronaschutzverordnung ganz bewusst dafür entschieden hat, den Schutzbereich des Artikel 13 GG mit dem nicht öffentlichen Raum gleichzusetzen, in dem die Verordnung nicht gelten soll. Es geht also nicht um die Frage, ob eine Gaststätte womöglich eine »Wohnung« oder einer solchen gleichzusetzen ist.
Hieraus folgt, dass es zumindest im Fall der Inanspruchnahme des Betreibers eines Gastronomiebetriebs wegen Nichteinhaltung des Mindestabstands und/oder der Maskenpflicht durchaus Sinn machen kann, sich darauf zu berufen, dass solche Regeln im Bereich der Außengastronomie überhaupt nicht gelten. Das spielt natürlich auch dann eine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob Gäste, sofern sie nicht am Tisch sitzen oder an einem Stehtisch beziehungsweise einer Theke stehen, Abstands- und Maskenpflichten zu beachten haben, also etwa auf dem Weg zur Toilette durch den Innenbereich der Gaststätte.
Allzu fröhlich sollte es aber auch nach der Öffnung der Außengastronomie nicht zugehen. Partys und andere Feiern sind nach § 2 Abs. 1 CoronaSchVO nämlich immer noch generell verboten!