entscheidungen

Hat ein Geldinstitut den Verdacht, dass ein Kundenkonto unbefugt genutzt wurde, darf sie vom Kunden zum Nachweis seiner Legitimation nur die bei Kontoeröffnung geforderten Informationen erneut verlangen. Die Entsperrung des Kontos darf nicht von der Vorlage eines Lichtbildausweises abhängig gemacht werden.

Streitwert: 627,13 €

Amtsgericht Frankfurt am Main
Urteil vom 24. November 2022, 380 C 419/21 (14)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 627,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 627,13 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beklagte betreibt im Internet eine Handelsplattform für Kryptowährungen. Die Klägerin er-öffnete im Laufe des Jahres 2017 ein Kundenkonto bei der Beklagten. Ihr wurde ein Online-Wallet mit einer eindeutigen Bitcoin-Adresse eingerichtet.

Für die Vornahme von Transfers auf der Handelsplattform der Beklagten ist die Verifizierung des jeweiligen Benutzerkontos, durch Verifikation der E-Mail-Adresse, der Rufnummer und des Bankkontos und die Durchführung eines Ident-Verfahrens erforderlich. Das Kundenkonto der Klägerin war durch die Beklagte verifiziert.

Die Beklagte übertrug am 01.09.2021 0,13 Bitcoins im Wert von 5.204,65 Euro auf das bei der Beklagten geführte Kundenkonto. Sie beabsichtigte, die übertragenen Bitcoins am 14.09.2021 wieder auf ein anderes Online-Wallet zu transferieren.

Der Transfer wurde von der Beklagten mit der Begründung verweigert, das Kundenkonto der Klägerin befinde sich im »ln-Only«-Modus.

Die Klägerin informierte die Beklagte über diesen Umstand und forderte die Beklagte auf, die Sperre ihres Kundenkontos bis zum 15.09.2021, 10:00 Uhr aufzuheben. Die Beklagte forderte die Klägerin mit E-Mail vom 15.09.2021 auf, eine Kopie ihres Lichtbildausweises zu übermit­teln.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2021 forderte die Klägerin die Be­klagte zur Aufhebung der Sperre ihres Kundenkontos bis zum 22.09.2021 und zum Ersatz vorgerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 627,13 Euro auf.

Nach einem Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und einem Proku­risten der Beklagten wurde die Sperre des Kundenkontos der Klägerin noch am 21.09.2021 aufgehoben. Mit E-Mail vom 07.10,2021 lehnte die Beklagte die Erstattung vorgerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung ab.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 627,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe das Kundenkonto der Klägerin aus Sicherheitsgründen ge­sperrt. Sie habe einen automatisierten Hinweis aus ihrem IT-System über den Versuch eines unbefugten Dritten erhalten, sich in das Kundenkonto der Klägerin einzuloggen.

Die Beklagte behauptet, sie habe das Kundenkonto der Klägerin aus Sicherheitsgründen ge­sperrt. Sie habe einen automatisierten Hinweis aus ihrem IT-System über den Versuch eines unbefugten Dritten erhalten, sich in das Kundenkonto der Klägerin einzuloggen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 627,13 Euro aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Es bestand zwischen den Parteien ein Schuldverhältnis im Sinne der §§ 241 Abs. 1 Satz 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB in Gestalt des bei der Beklagten eröffneten Kundenkontos der Kläge­rin.

Die Beklagte hat eine Pflicht aus dem Schulverhältnis verletzt. Die Beklagte sperrte das Kun­denkonto der Klägerin ohne rechtfertigenden Grund.

Nach § 8 Abs. 12 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist die Beklagte zur Sperrung eines Kundenkontos berechtigt, wenn sie eine unbefugte Nutzung feststellt. Für die tatsächliche Feststellung einer unbefugten Nutzung des Kundenkontos der Klägerin ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagten keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang behauptet, sie habe einen automatisierten Hinweis aus ihrem IT-System erhalten, dass es den Versuch eines unbefugten Dritten gegeben habe, sich in das Kundenkonto der Klägerin einzuloggen. Aus diesem pauschalen Vortrag der Be­klagten schließt das Gericht, dass die Beklagte bereits den automatisierten Hinweis aus ihrem IT-System zum Anlass einer Sperrung des Kundenkontos der Beklagten genommen hat. Sie hat bereits nach ihrem eigenen Vortrag keine weiteren Maßnahmen zur Verifizierung dieses automatisierten Hinweises aus ihrem IT-System vorgenommen. Es bleibt aus diesem Grund im Ergebnis offen, ob Anlass für die vorgenommene Sperrung des Kundenkontos der Klägerin tatsächlich der Versuch eines unbefugten Dritten war, sich in das Kundenkonto der Klägerin einzuloggen oder eine der Beklagten zuzurechnenden Fehlfunktion des von ihr eingesetzten IT-Systems.

Ferner war die Beklagte, die Rechtmäßigkeit der Sperrung des Kundenkontos der Klägerin unterstellt, nicht berechtigt, von der Klägerin für die Freischaltung ihres Kundenkontos die Übersendung eines Lichtbildes ihres Personalausweises zu verlangen. Nach § 8 Abs. 12 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten erfolgt die Freischaltung eines Kunden­kontos auf gleichem Wege wie die ursprüngliche Verifizierung des Kundenkontos. Nach den Ausführungen der Beklagten erfolgt entweder die Überweisung eines geringen Betrages unter Angabe einer zur Freischaltung benötigten Kennung oder die erneute Durchführung eines Ident-Verfahrens. Die Übersendung von Lichtbildern eines Personalausweises gehört bereits nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nicht zu den vorgesehenen Maßnahmen zur Freischaltung eines Kundenkontos. Weitere Bedenken gegen dieses Vorge­hen der Beklagten, unter dem Gesichtspunkt der Regelungen der Datenschutzgrundverord­nung und des Personalausweisgesetztes, bedürften aus diesem Grund keiner näheren Erörte­rung.

Die Beklagte hat die Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Die Miss­achtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch die Beklagte wird in diesem Zusammen­hang vermutet, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte zu einer Widerlegung dieser Vermu­tung ergeben sich aus ihrem Vortrag nicht.

Der Klägerin ist durch die schuldhafte Verletzung einer Pflicht der Beklagten aus dem Schuld­verhältnis ein ersatzfähiger Schaden in Gestalt der für die außergerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten aufgewandten Kosten in Höhe von 627,13 Euro entstanden.

Die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch die Klägerin ergibt sich aus einer Betrachtung des gesamten Verhaltens der Beklagten. Die Beklagte verlangte von der Klägerin zur Freigabe ihres Kundenkontos aus dem »ln-Only«-Modus die Übersendung eines Lichtbildes ihres Personalausweises. Die Beklagte verfolgte mit diesem Vorgehen aus Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung das Ziel einer Identifikation der Person, die Zugriff auf das Kundenkonto der Klägerin begehrte. Im Falle der Übersendung eines Lichtbildausweises der Klägerin hätte die Beklagte jedenfalls einen tatsächlichen Anhaltspunkt für die Vermutung gehabt, entweder die Klägerin oder eine von der Klägerin bevollmächtigte Person begehre Zugriff auf das Kundenkonto der Klägerin.

Dieses aus Sicht des Gerichts seinem Ansatz nach berechtigte Anliegen hat die Beklagte durch ihr Verhalten im Anschluss an die von der Klägerin vorgenommene Beauftragung eines Rechtsanwaltes konterkariert. Sie hat das Kundenkonto der Klägerin nach einer schriftlichen Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und einem zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und einem Prokuristen geführten Telefonat freigegeben, ohne auf die im Vorfeld verlangte Identifikation der Klägerin zu bestehen. Eine hinreichende Sicherheit, dass es sich bei der Person, die den Zugriff auf das Kundenkonto der Klägerin verlangte, entweder um die Klägerin selbst oder eine im Auftrag der Klägerin handelnde Person handelte, hat die Beklagte auf diesem Wege nicht erlangt.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Höhe seiner der Klägerin in Rechnung gestellten Gebühren zutreffend aus einem Gegenstandswert in Höhe von 5.204,65 Euro berechnet. Das auf dem Kundenkonto der Klägerin zum Zeitpunkt der unberechtigten Sperrung vorhandene Guthaben in Höhe von 0,13 Bitcoin, was nach dem von der Beklagte nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt einem Betrag in Höhe von 5.204,65 Euro betrug, stellt das wirtschaftliche Interesse der Klägerin im Zusammenhang mit der Freigabe ihres Kundenkontos dar. Es ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, ob der Klägerin auf Grund der unberechtigten Sperrung ihres Kundenkontos ein tatsächlicher Schaden in Gestalt eines entgangenen Gewinns entstanden ist. Selbst wenn die Klägerin das Kundenkonto der Beklagten nur zur nicht gewinnbringenden Anlage ihres Vermögens verwendete, entspricht der ihr auf Grund der unberechtigten Sperrung ihres Kundenkontos vorenthaltene Teil ihres Vermögens dem wirtschaftlichen Wert der anwaltlichen Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten.

Die Klägerin kann auch den Ersatz einer 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Anlage zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG verlangen. Es handelt sich entgegen der Ansicht der Beklagten bei dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.09.2021 nicht um ein einfaches Schreiben im Sinne der Nr. 2301 Anlage zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.09.2021 enthält umfangreiche Ausführungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten und den aus diesem Zusammenhang folgenden Regelungen zur Sperrung und anschließenden Freigabe eines Kundenkontos. Der Umstand, dass die vorgerichtliche Rechtsverfolgung der Klägerin das mit ihr verfolgte Ziel bereits mit einem Schreiben und einem anschließenden Telefonat ihres Prozessbevollmächtigten mit einem Prokuristen der Beklagten erreichte, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 627,13 Euro seit dem 08.10.2021 aus §§ 288 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11,709 Satz 2, 711 Satz 1, Satz 2 ZPO

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1,48 Abs. 1 Satz 1,43 Abs. 1 GKG, §§ 3 Halbsatz 1, 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO unter Berücksichti­gung des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin.

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