LANDGERICHT MÜNCHEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 17HK 0 16815/03
Entscheidung vom 18. März 2004
In dem Rechtsstreit
[...]
wegen Unterlassung
erlässt das Landgericht München I, 17. Kammer für Handelssachen, durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Waitzinger sowie die Handelsrichter Drahovszky und Eisenrieder aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2004 folgendes
Endurteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 Euro.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Freigabe einer Domain.
Der Kläger betreibt in München ein Ladenlokal zum Handel mit Erotikartikeln und Erotikfilmen. Er möchte in Zukunft seine Waren auch über das Internet anbieten.
Der Kläger ist Inhaber der deutschen Marke »Sexquisit«, die beim DPMA unter der Nummer 30207488 am 14.2.2002 angemeldet und am 16.7.2002 eingetragen worden ist. Die Marke ist für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet:
09: Videokassetten, DVDs, CDs, 10; Vibratoren für Betten, Kondome, 16: Magazine, Zeitschriften, Bücher, Comic Hefte, Bilder, Fotografien, Zeichnungen, Zeichnungskopien (K 1).
Der Beklagte betreibt eine EDV Servicefirma in München. Er ist Inhaber der Domain »sexquisit.de«, die am 6. Oktober 1999 bei der DENIC eingetragen ist. Unter der Domain des Beklagten war mindestens bis Februar 2004 keine Website adressiert. Beim Anklicken der Domain erscheint folgender Satz auf dem Bildschirm: »Sie sehen hier eine soeben freigeschaltete Homepage, es sind noch keine Inhalte festgelegt worden, per E Mail sind wir bereits erreichbar... «. Seit Februar 2004 hat der Beklagte unter der Domain »sexquisit.de« ein privates Diskussionsforum über Sinn und Unsinn erotischer Unterhaltungsangebote eingerichtet.
Der Beklagte weigert sich trotz Aufforderung durch den Kläger, die Domain freizugeben.
Der Kläger behauptet, er betreibe unter der Bezeichnung »sexquisit« sein Geschäft in München. Der Beklagte halte seine Domain nur reserviert, um sie einem Interessenten verkaufen zu können, eine anderweitige Verwendung sei nicht erkennbar. Der Beklagte habe sich eine größere Anzahl von Domains reservieren lassen, um den jeweiligen Inhaber des entsprechenden Markennamens zu Zahlungen zu »nötigen«.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch gemäß 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG zu. Da er die Bezeichnung »sexquisit« auch für sein Ladengeschäft verwende, habe er auch Unterlassungsansprüche aus § 12 BGB. Die Weigerung des Beklagten, die Domain frei zu geben, stelle eine sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB dar. Bereits die Konektierung der Domain sei als Markennutzung i.S.d. § 14 MarkenG anzusehen und begründe daher eine Erstbegehungsgefahr.
Das Gericht hat am 27.11.2003 folgendes Versäumnisurteil gegen den Beklagten erlassen:
Der Beklagte wird verurteilt, in die Freigabe des Zeichens »Sexquisit« bzw. der Domain »sexquisit.de« bei der Registrierungsstelle für Domains im Internet, der Firma DENIC eG, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt am Main, einzuwilligen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den folgenden Handlungen des Beklagten entstanden ist und künftig entstehen wird:
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin das Zeichen »Sexquisit« im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Zusammenhang mit Erotikartikeln, zu benutzen, das vorstehend bezeichnete Zeichen auf den vorstehend bezeichneten Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, unter dem vorstehend bezeichneten Zeichen vorstehend bezeichneten Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, einzuführen oder auszuführen und schließlich das vorstehend bezeichnete Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung, insbesondere als Domain im Internet, auf seinen Namen registrieren zu lassen und zu benutzen.
Nach Einlegung eines Einspruchs gegen dieses Versäumnisurteil durch den Beklagten beantragt der Kläger nunmehr:
Das Versäumnisurteil vom 27.11.2003 bleibt insoweit aufrechterhalten, als
1. der Beklagte verurteilt wird, in die Freigabe des Zeichens »Sexquisit« bzw. der Domain »sexquisit.de« bei der Registrierungsstelle für Domains im Internet der Firma DENIC eG, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt am Main, einzuwilligen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den folgenden Handlungen des Beklagten entstanden ist und künftig entstehen wird:
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin das Zeichen »Sexquisit« im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Zusammenhang mit Erotikartikeln, wie auch im privaten Verkehr im Zusammenhang mit Erotikangeboten im Internet, insbesondere als Domain und/oder E Mail Adresse im Internet zu benutzen.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
Der Beklagte behauptet, er habe nicht vor, die Domain irgendwann einmal geschäftlich zu nutzen. Er behauptet ferner, dass der Kläger nach außen hin unter seinem Eigennamen »Rüdiger Wittmann« auftrete. Zum Umfang einer Nutzung des Zeichens »Sexquisit« als Unternehmenskennzeichen sowie für seine Produkte fehle jeder Sachvortrag. Es handle sich um keine »bekannte Marke« i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Domain nicht im geschäftlichen Verkehr genutzt werde und deshalb marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche ausschieden. Das eingerichtete private Diskussionsforum greife auch nicht in den Schutzbereich der Marke ein. Eine Registrierung der Domain in Behinderungsabsicht scheide bereits deshalb aus, da unstreitig die Domain zeitlich vor der Marke registriert worden sei. Seine Hoffnung, als EDV Dienstleister eines Tages mit einem Kunden gemeinsam eine Internet Präsenz unter der Adresse aufbauen zu können, habe sich bei heute nicht erfüllt. Das bloße »Vorrätighalten« von Internet Domains begründe noch nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass Ansprüche aus § 12 BGB als Anspruchsgrundlage nicht in Frage kämen, wenn zeichenrechtlicher Schutz gemäß §§ 5, 15 MarkenG beansprucht würde. Die Gefahr einer Zuordnungsverwirrung bestehe nicht, da der Name nicht dazu benutzt würde, Einrichtungen oder Produkte einer anderen Person namentlich zu bezeichnen. Im übrigen habe der Kläger keinen Anspruch auf vollständige Aufgabe der Domain, sondern nur einen Anspruch darauf, dass die Domain in Zukunft nicht mehr für solche Produkte verwendet würde, für die die Marke des Klägers Schutz genieße.
Der Beklagte ist der Ansicht, er dürfe das Zeichen »Sexquisit« im privaten Verkehr nahezu einschränkungslos benutzen.
Der Klägerin hat zunächst mit seiner Klage folgende Anträge gestellt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin das Zeichen »Sexquisit« im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Zusammenhang mit Erotikartikeln, zu benutzen, dass vorstehend bezeichnete Zeichen anzubringen, unter dem vorstehend bezeichneten Zeichen die vorstehend bezeichneten Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, einzuführen oder auszuführen und schließlich das vorstehend bezeichnete Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung, insbesondere als Domain im Internet, auf seinen Namen registrieren zu lassen und zu benutzen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, in die Freigabe des Zeichens »Sexquisit« bzw. der Domain »sexquisit.de« bei der Registrierungsstelle für Domains im Internet, der Firma DENIC eG, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt am Main, zum alleinigen Nutzen und Gebrauch der Klägerin einzuwilligen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den vorstehend unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig entstehen wird.
Im Termin vom 27.11.2003, in dem dann Versäumnisurteil erging, nahm er diesen Klageantrag 1 zurück sowie im Klageantrag 2 die Formulierung »zum alleinigen Nutzen und Gebrauch der Klägerin«.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze bis zum Termin vom 12.2.2004 sowie den dem Beklagten nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Februar 2004 Bezug genommen. Der vom Kläger am 12. März 2004 eingereichte Schriftsatz vom 10. März 2004 war nicht gemäß § 283 ZPO nachgelassen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist insgesamt als unbegründet abzuweisen, da dem Kläger weder aus §§ 14, 15 MarkenG noch aus §§ 12 BGB, 826 BGB noch aus §§ 1, 3 UWG Beseitigungs- bzw. Schadensersatzansprüche zustehen.
Es bestehen weder aus §§ 14, 15 MarkenG noch aus §§ 1, 3 UWG Verzichts bzw. Schadensersatzansprüche, da es bereits an einer Benutzung der Domain »im geschäftlichen Verkehr« fehlt.
Der Beklagte hat die Domain »sexquisit« unstreitig von 1999 bis mindestens Februar 2004 unbenutzt und zuletzt mit einer so genannten »Baustellen Seite« gehalten. Ab Februar 2004 hat er nach eigenem Vortrag ein privates Diskussionsforum eingerichtet. Beide Formen der »Nutzung« der Domain stellen keine Nutzung im geschäftlichen Verkehr dar.
2. Auch gemäß § 12 BGB besteht kein Beseitigungs- bzw. Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter Namensanmaßung.
a) Solange der Beklagte die Domain lediglich reserviert gehalten hat, hatte die Domain nicht einmal eine Adressfunktion, so dass eine Namensanmaßung i.S.d. § 12 BGB von vornherein ausscheidet. Sollte man aber bereits unter der Registrierung eine Namensanmaßung verstehen, so wäre im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Beklagte insofern die älteren Namensrechte für sich beanspruchen kann, da er bereits seit 1999 mit seiner Domain lange vor Aufnahme des Geschäftsbetriebs und Anmeldung der Marke des Klägers eingetragen ist. Wenn mehrere Personen als berechtigte Namensträger für einen Domain Namen in Betracht kommen, gilt für sie hinsichtlich der Registrierung ihres Namens als Internetadresse grundsätzlich das Prinzip der Priorität (vgl. BGH, NJW 2002, 2031, 2034 shell de). Insoweit hätte der Beklagte die älteren Rechte am Domainnamen.
b) Aus der Benutzungsaufnahme der Domain durch die Einrichtung eines privaten Diskussionsforums ergibt sich ebenfalls kein Anspruch auf Verzicht auf die Domain. Der Beklagte war zunächst berechtigter Inhaber der Domain zum Zeitpunkt der Registrierung, da zu diesem Zeitpunkt kein anderer, auch nicht der Kläger, ein Namensrecht an der Bezeichnung »Sexquisit« hatte. Der Beklagte wird nicht dadurch zum unberechtigten Nutzer eines Namens, dass er unter diesem Namen ein privates Diskussionsforum einrichtet. Als Inhaber der Domain ist er grundsätzlich in der Benutzung der Domain frei, solange er keine Kennzeichenrechte oder älteren Namensrechte verletzt. Durch die Nutzungsaufnahme wird er deshalb nicht grundsätzlich vom ursprünglich berechtigten Inhaber zum nicht berechtigten Inhaber. Solange er die Domain nur privat nutzt, kann er mangels einer Benutzung im geschäftlichen Verkehr keine Kennzeichenrechte verletzen.
Auch an einer Zuordnungsverwirrung als Interessenbeeinträchtigung gemäß § 12 BGB fehlt es bereits durch die Einrichtung eines privaten Diskussionsforums, das zumindest gibt es keinen Sachvortrag hierzu nicht mit dem Verkaufsangebot und der Darstellung einer gleichnamigen Firma verwechselt werden kann.
Eine Behinderung tritt als privates Diskussionsforum ebenfalls nicht ein: Der Kläger ist bereits durch die erste und berechtigte Registrierung blockiert. Diese Blockade steht solange fort, als der Beklagte nicht auf die Domain verzichtet, unabhängig davon, wie er die Domain nutzt. Im vorliegenden Fall ist die ungewöhnliche Fallkonstellation zu bewerten, dass ein Fantasiename als Domain registriert wurde, bevor irgend jemand diese Fantasiebezeichnung als Name oder Geschäftskennzeichen oder Marke nutzte bzw. für sich selbst beanspruchte. Insoweit unterscheidet sich der Fall grundlegend von der Entscheidung der BGH shell.de a.a.0. Eine ursprünglich berechtigte Registrierung wird nicht allein dadurch unberechtigt, dass ein anderer dieselbe Bezeichnung als Geschäftszeichen oder Firma nutzen will.
3. Dem Kläger stehen auch keine Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs gemäß § 1 UWG zu.
Zum Zeitpunkt der Registrierung der Domain konnte der Beklagte noch gar nicht behindern. Erst wenn der Beklagte die Domain zum Verkauf anbieten würde, würde er aus dem Bereich des privaten Gebrauchs heraustreten und sich in den geschäftlichen Verkehr begeben. Hier trägt der Kläger, der dafür darlegungs- und beweisbelastet gewesen wäre, nicht ausreichend vor: Allein die Tatsache, dass der Beklagte vom Landgericht Düsseldorf bereits einmal zur Freigabe einer Domain verurteilt wurde, bedeutet nicht, dass er die hier streitgegenständliche Domain in vorweggenommener Behinderungsabsicht angemeldet hatte. Selbst die bestrittene Tatsache, dass der Beklagte Inhaber zahlreicher Domains sei, würde nicht weiterhelfen: Solange der Beklagte sich mit einer »gehamsterten« Domain nicht in den geschäftlichen Verkehr begibt und er nicht von sich aus an einen potentiellen Interessenten herantritt, kann nicht auf eine Behinderungsabsicht geschlossen werden.
Zum »Domainhandel«, müsste substantiiert vorgetragen werden. Weitere Indizien für eine Behinderungsabsicht bestehen nicht. Der Kläger hat auch nichts dazu vorgetragen, dass die Aufnahme des Geschäftsbetriebs unter dem Namen »Sexquisit« bzw. die Markenanmeldung für den Beklagten erkennbar bevor stand und er deswegen die Domain in Behinderungsabsicht für sich habe registrieren lassen. Allein der Zeitablauf, dass der Beklagte die Domain mehrere Jahre vor der Markenanmeldung eintragen ließ, spricht gegen eine solche Behinderungsabsicht.
Ein Anspruch gemäß § 826 BGB besteht nicht. Insbesondere fehlt es an einem Sachverhalt, aus dem auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung geschlossen werden könnte. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Behinderungsabsicht unter 3 verwiesen werden.
Kosten: § 91 ZPO, vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
Waitzinger Vors. Richterin am Landgericht
Drahovszky Handelsrichterin
Eisenrieder Handelsrichter