LG Düsseldorf, Urt. v. 22.03.13, 13 O 351/12 - Ahnentafeln

eigenesache Die Veröffentlichung von Ahnentafeln unter Benennung von Zwingernamen und Züchtern verletzt einen Zuchtverein nicht in den eigenen Rechten.

Streitwert: 20.000 €

 

 

 

nrw

LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES 

Urteil

 Aktenzeichen: 13 O 351/12
Entscheidung vom 22. März 2013

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf

auf die mündliche Verhandlung vom 08.03.2013

durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Tannert als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin dem Beklagten gegenüber nicht verpflichtet ist,

1. die Veröffentlichung von Ahnentafeln mit Benennung der Zwingernamen und/oder Züchtern zu unterlassen, soweit Mitglieder des   Beklagten betroffen sind;

2. es zu unterlassen, eine Datenbank mit Ahnentafeln von herzkranken Hunden unter Bezeichnung von Zwingernamen und/oder Züchtern zu veröffentlichen oder öffentlich zugänglich zu machen;

3. Angaben über Züchter und Zwinger von ihrer Homepage zu entfernen;

4. einen dem Beklagten etwa entstandenen Schaden dadurch zu beheben, dass sie durch öffentliche Verlautbarung- wie zum Beispiel direkt auf ihrer Homepage — klarstellt, dass Herzerkrankungen von Doggen nicht zwangsweise mit einer fehlerhaften oder schlechten Zucht zu verbinden sind, sondern auch viele andere Ursachen haben können.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistungen betragen 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Beklagte ist ein Verein, dessen Zweck in der Förderung der Reinzucht der Rasse Deutsche Dogge nach dem von ihm festgelegten Standard dient. Zu seinen Mitgliedern gehören unter anderem Züchter von Hunden.

Die Klägerin ist Mitglied des Beklagten. Sie betreibt im Internet die Webseite [...] Auf der von ihr betriebenen Seite vertritt sie die Auffassung, es sei seit Jahren bekannti, dass Herzerkrankungen im Allgemeinen und die Dilatative Kardiomyopathie (DCM) neben Magendrehung und Krebs eine der häufigsten Todesursachen seien, ihrer Meinung nach reichten die ergriffenen Maßnahmen bei weitem nicht aus, um das häufige Auftreten von Herzerkrankungen einzudämmen; eine Studie habe ergeben, dass 30 % der Hunde eine Herzkrankheit haben, 90 % davon DCM. Sie teilte auf der Web-Seite mit, sie beabsichtige, weitere Infos zu den Herzkrankheiten, insbesondere DCM einzustellen, Erfahrungsberichte mit Befunden und Kopien der Ahnentafeln sollte, diese ergänzen. Sie kündigte die Einstellung einer Datenbank an, aus der man entnehmen könne, welche Hunde in den Ahnentafeln erkrankter Hunde immer wieder auftauchen und noch vieles mehr.

Mit Schreiben vom 22.11.2012 machte der Beklagte, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, gegenüber der Klägerin geltend, sie behaupte in ihrem Internetauftritt fehlerhaft eine alleinige Beziehung zwischen Herzerkrankung und Zucht, eine Anprangerung des Zwingernamens oder der Züchter werde für diese die Zucht unmöglich machen, da Kunden die Doggen nicht mehr abnehmen würden; er, der Beklagte untersage der Klägerin unter Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte seiner Mitglieder die Veröffentlichung von Ahnentafeln mit Benennung der Zwingernamen und/oder der Züchter; er fordere die Klägerin auf, mitzuteilen, dass sie eine Datenbank mit Ahnentafeln von herzkranken Hunden und der Bezeichnung von Zwingernamen und/oder Züchtern nicht veröffentlicht werde oder öffentlich zugänglich machen werde, und bislang erfolgte Angaben über Züchter und Zwinger von ihrer Homepage zu entfernen. Der Beklagte forderte die Klägerin weiter auf, den Schaden dadurch zu beheben, dass sie durch öffentliche Verlautbarung klarstelle, das Herzerkrankungen von Doggen nicht zwangsweise mit einer fehlerhaften oder schlechten Zucht zu verbinden seien, sondern auch viele Ursachen haben könnten.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dem Beklagten stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu und sie könne, um eine Ungewissheit, die zwischen ihnen herrsche, zu beseitigen, die entsprechende Feststellung verlangen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Klägerin dem Beklagten gegenüber nicht  verpflichtet ist,

1. die Veröffentlichung von Ahnentafeln mit Benennung der Zwingernamen und/oder Züchtern zu unterlassen, soweit Mitglieder des Beklagten betroffen sind;

2.  es zu unterlassen, eine Datenbank mit Ahnentafeln von herzkranken Hunden unter Bezeichnung von Zwingernamen und/oder Züchtern zu veröffentlichen oder öffentlich zugänglich zu machen;

3. Angaben über Züchter und Zwinger von ihrer Homepage zu entfernen;

4. einen dem Beklagten etwa entstandenen Schaden dadurch zu beheben, dass sie durch öffentliche Verlautbarung- wie zum Beispiel direkt auf ihrer Homepage — klarstellt, dass Herzerkrankungen von Doggen nicht zwangsweise mit einer fehlerhaften oder schlechten Zucht zu verbinden sind, sondern auch viele andere Ursachen haben können.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor:

Die Klägerin habe auf ihrer Internetseite suggeriert, er, der Beklagte, tue zu wenig gegen DCM. Sie habe einen konkreten und ausschließlichen Zusammenhang zwischen Herzerkrankung bei Deutschen Doggen und der Zucht hergestellt, obwohl eine Herzerkrankung zwar auch durch ein vererbtes Gen, aber — unstreitig — auch durch andere Faktoren bedingt sei.

Durch die Aufstellung und Veröffentlichung einer Ahnentafel von einzelnen Hunden, die an DCM erkrankt seien, würden auch Geschwistertiere erkrankter Tiere unter dem Generalverdacht der fehlerhaften Vererbung gestellt. Eine Anprangerung des Zwingernamens oder des Züchters würde für diese aufgrund der Abschreckung die Zucht und den Verkauf von Tieren unmöglich machen. Dies betreffe auch Züchter, die Mitglieder bei ihm seien. Zudem falle auf ihn der Verdacht, dass er den Welpenverkauf mit bekannt an DCM erkrankten Welpen dulde, was daraus folge, dass die Klägerin bei den bisher benannten Züchtern die Mitgliedschaft bei ihm, dem Beklagten, angegeben habe. Die Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Mitglieder wirke sich damit direkt auf sein Erscheinungsbild aus. Zudem sei er befugt, Schaden von seinen Mitgliedern abzuwenden.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und überreichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ergibt sich daraus, dass sich der Beklagte gegenüber der Klägerin berühmt, Ansprüche, wie in dem Schreiben vom 22.11.2012 formuliert und in der Klage wiedergegeben, zu haben.

Die von dem Beklagten geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht.

Weder ist der Beklagte durch die angekündigte Veröffentlichung der Ahnentafeln herzkranker Hunde nebst Benennung von Zwingen und/oder Züchtern eigenen Rechten verletzt, noch ist er befugt eine eventuelle drohende Rechtsverletzung einzelner Mitglieder im eigenen oder fremden Namen geltend zu machen.

Die Veröffentlichung von Ahnentafeln unter Benennung von Zwingernamen und Züchtern verletzt den Beklagten nicht in den eigenen Rechten.

Allerdings sind auch juristische Personen Träger von allgemeinen Persönlichkeitsrechten, soweit sie in ihrem Tätigkeitsbereich und in ihrem sozialen Geltungsanspruch betroffen sind. Das ist aber durch die angekündigte Veröffentlichung von Ahnentafeln mit Benennung der Zwingernamen und/oder Züchtern in Verbindung mit Herzkrankheiten von Hunden aus einem Zwinger oder bei einem Züchter nicht der Fall. Durch die Veröffentlichung einer solchen Liste kann nur in den sozialen Geltungsanspruch von Zwingerbetreibern oder Züchtern als Wirtschaftsunternehmen eingegriffen werden, eventuell auch in die Privatsphäre namentlich genannter Züchter. Dass die Klägerin der Auffassung ist, die Veröffentlichung einer solchen Liste sei erforderlich, weil die sonst zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, um eine Züchtung herzkranker Hunde zu verhindern, stellt zum einen eine zulässige Meinungsäußerung dar und ist zum anderen nur aufgrund des Umstandes, dass auch der Beklagte das Interesse einer gesunden Zucht von Doggen verfolgt — ebenso wie die Klägerin — nicht gegen den Beklagte gerichtet. Der Beklagte hat kein Monopol auf die Wahrung einer gesunden Hundezucht und auf die Entscheidung, welche Mittel zur Erreichung dieses Zweckes die richtigen sind.

Soweit der Beklagte geltend macht, die von der Klägerin auf ihrer Homepage zu benennenden Züchter oder Zwinger würden mit einem Zusatz als Mitglieder des Beklagten zu erkennen gegeben, braucht es vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob dies zulässig ist. Denn der Beklagte hat von der Klägerin nicht etwa verlangt, bei der Veröffentlichung der Ahnentafel mit Zwingernamen und Züchternamen den entsprechenden Zusatz zu unterlassen, sondern er verlangt von der Beklagten die Unterlassung der Veröffentlichung entsprechender Ahnentafeln unter Nennung von Zwingernamen und Züchternamen und die Beseitigung von Angaben über Züchter und Zwinger von ihrer Homepage. Gegenstand der Klage ist nur die Feststellung des Nichtbestehens dieser Verpflichtungen.

Dem Beklagten steht auch keine Befugnis aus abgeleitetem Recht seiner Mitglieder zu. Eine allgemeine Verbandsklage von Interessenverbänden ist — ohne entsprechende gesetzliche Regelung — im deutschen Recht >nicht anerkannt. Grundlage der Klagebefugnis bei einer Verbandsklage aus abgeleitetem Recht ist vielmehr eine Ermächtigung (vgl BGH VersR 2012, 250 ff, BGH NJW 2007, Seite 67 ff.). Diese Ermächtigung muss ihrerseits wirksam sein und den Vorgaben des Rechtsberatungsgesetzes genügen (vgl. BGH NJW 2007, Seite 67 ff.). Schon die Satzung des Beklagten enthält auch nicht ansatzweise eine Regelung, wonach der Beklagte ermächtigt sein soll, die von ihm beanspruchten Rechte von Mitgliedern geltend zu machen.

Dem Beklagten steht auch kein Anspruch auf Klarstellung durch die Klägerin zu, das Herzerkrankungen von Doggen nicht zwangsweise mit einer fehlerhaften oder schlechten Zucht zu verbinden seien, sondern auch viele andere Ursachen haben könnten. Abgesehen davon, dass die Klägerin das niemals behauptet hat würde, selbst wenn die Klägerin diese wissenschaftliche Ansicht vertreten würde, der Beklagte dadurch nicht in eigenen Rechten verletzt. Nur weil jemand eine falsche wissenschaftliche Ansicht vertritt, ist eine Interessenvertretung, die die richtige wissenschaftliche Ansicht vertritt, nicht in ihrem sozialen Geltungsanspruch herabgesetzt, ganz abgesehen davon, dass die Äußerung einer wissenschaftlich falschen Ansicht vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist.

Es besteht auch kein Anlass, die mündliche Verhandlung aufgrund des Vortrages im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.3.2013 wiederzueröffnen. Der darin enthaltene Sachvortrag, die Ahnentafeln seien nach, seiner Zuchtordnung sein »Eigentum«, ist schon nicht nachvollziehbar und es ist auch nicht ersichtlich, wieso der Beklagte dies erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorbringt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 20.000,00 €. Soweit der Beklagte dies für übersetzt hält, ist darauf hinzuweisen, dass er auch die wirtschaftlichen Interessen der ihm angeschlossenen Züchter geltend macht, die von erheblichem Gewicht sind. Bei der negativen Feststellungsklage ist aber wegen der vernichtenden Wirkung eines obsiegenden Urteils der Streitwert so hoch zu bewerten wie der Anspruch, dessen sich der Gegner berühmt.

Tannert

Vorsitzende Richterin am Landgericht

 

 

 

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