OLG München, Urt. v. 27.03.06, 18 U 5348/04 - Playboy-Fotos II

eigenesache Denjenigen, der es Dritten ermöglicht, auf der eigenen Website Links zu platzieren, treffen Überwachungs- und Kontrollpflichten, vor allem dann, wenn wegen der pornografischen Ausrichtung des Internetangebots eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für persönlichkeitsrechtsverletzende Eintragungen besteht. Anspruch auf eine Geldentschädigung steht dem Betroffenen aber nur bei einer schweren Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

Streitwert: 5.000 €

 

bayern

OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 18 U 5348/04
Entscheidung vom 27. März 2006

 

In dem Rechtsstreit

[...]

wegen Unterlassung u.a. (KUG)

hier: Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO und Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung der 1. Instanz

erlässt der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 29. März 2006

folgenden

Beschluss

I.

1.  Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

2.  Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 27 % und der Beklagte 73 %. Der Beklagte hat jedoch die durch seine Säumnis im Termin vom 29.1.2004 entstandenen Kosten allein zu tragen.

3.   Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung im Urteil des Landgerichts München I vom 7.10.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1.  Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 7.10.2004 das am 29.1.2004 gegen den Beklagten erlassene und im Urteil vom 7.10.2004 nach § 319 Abs. 1 ZPO berichtigte Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte beantragt hat,

- in Ziffer 2. den Beklagten zur Zahlung weiterer 25.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 15.10.2003 zu verurteilen, und

- in Ziffer 3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser aus den Handlungen nach Ziffer 2. entstanden ist und/oder noch entstehen wird.

Das Landgericht hat dies damit begründet, dass dem Beklagten an der Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin kein Verschulden treffe, so dass diese keinen Anspruch auf Geldentschädigung habe. Einen bereicherungsrechtlichen Anspruch habe die Klägerin nur in Höhe der angefallenen Rechtsanwaltsgebühren, die zur Löschung des streitgegenständlichen Links auf der Beklagten zuzurechnenden Internetseite www.[...].de erforderlich waren. Im Übrigen fehle es an einer Bereicherung des Beklagten, da der Beklagte selbst keine Bildnisse der Klägerin verbreitet habe, sondern lediglich als Störer an der Veröffentlichung eines Links zu der die Bildnisse beinhaltenden Webseite beigetragen habe.

Das Urteil wurde der Klägerin am 14.10.2004 zugestellt. Die Klägerin hat mit am Montag, 15.11.2004 eingegangenem Antrag vom selben Tag für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt, soweit die Klage durch das landgerichtliche Urteil vom 7.10.2004 zurückgewiesen wurde.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung zu Unrecht von einem fehlenden Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber dem Beklagten ausgegangen sei. Anders als bei einem Landgericht als Vergleich herangezogenem Internet-Aktionshaus seien schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen dem Internetangebot des Beklagten immanent. Man könne gerade nicht davon ausgehen, dass bei einem Angebot wie www.[...].de die dort zu findenden Fotos mit Einwilligung der Abgebildeten zustande gekommen seien. Der Beklagte habe fahrlässig gehandelt, da er die ihm zumutbaren Prüfungspflichten nicht wahrgenommen habe. Der Beklagte sei schadensersatzpflichtig, da eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin vorliege. Es bestehe auch ein weitergehender Bereicherungsanspruch der Klägerin, da der beklagte die Bilder der Klägerin zwar nicht selber verbreitet habe, aber mit der Vermittlung dieses Angebots Geld verdient habe. Zwar verweise das streitgegenständliche Link nicht auf ein Angebot des Beklagten, aber es diene gerade den gewerblichen Interessen des Beklagten durch die Link-Kataloge u.a. auch Internet-Dienste zu bewerben, an denen der Beklagte entweder unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Daraus rechtfertigte sich auch der erstinstanzliche Feststellungsantrag.

Der Senat hat mit Beschluss vom 21.7.2005 der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt, soweit sie mit ihrer Berufung eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer 5.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 15.10.2000 begehrt und zur Wahrnehmung ihrer Rechte Rechtsanwalt Dr. Holger Weinmann als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Im Übrigen ist der Prozesskostenhilfsantrag zurückgewiesen worden. Auf die Gründe des Beschlusses vom 27.07.2005 wird Bezug genommen.

Die Klägerin stellte daraufhin mit am 10.08.2005 eingegangenem Schriftsatz Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist und beantragte im Übrigen:

Das Urteil des Landgerichts München I vom 7.10.2004 wird in Ziffer II. dahingehend abgeändert, dass das Versäumnisurteil vom 29.1.2004 in seiner im Urteil vom 7.10.2004 berichtigten Fassung auch in folgendem Umfang aufrechterhalten wird

- in Ziffer 2 soweit der Beklagte zur Zahlung weiterer 5.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 15.10.2003 verurteilt wird.

Der Beklagte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigte das erstinstanzliche Urteil. Außerdem wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2005 hat die Klägerin das Berufungsverfahren für erledigt erklärt, da die Parteien sich außergerichtlich geeinigt hatten, und beantragt,

gemäß § 91 a die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.

Der Beklagte beantragt,

die Kosten der Berufungsinstanz der Klägerin aufzuerlegen.

2.  Das Landgericht hat im Urteil vom 7.10.2004 unter Ziffer IV. den Streitwert des Verfahrens bis zum 13.10.2004 auf 120.650,-- EUR und für die Zeit danach auf 125.650,16 EUR festgesetzt.

Das Endurteil wurde dem Beklagten am 14.10.2004 zugestellt. Mit am 28.10.2004 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag legte der Beklagte gegen den Streitwertbeschluss Beschwerde ein.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Streitwert für den Unterlassungsantrag von 90.000,-- EUR auf 10.000,-- EUR herabzusetzen sei, da das zu berücksichtigende wirtschaftliche Interesse der Klägerin zu hoch angesetzt worden sei. Die Klägerin habe keinen finanziellen Schaden erlitten. Es handle sich lediglich um einen Link, der die Persönlichkeitsrechte der Klägerin beeinträchtigt habe. Außerdem habe die Klägerin nur einen Betrag in Höhe von etwa 15.000,-- EUR für die streitgegenständlichen Fotografien erhalten.

Der Beklagte beantragt,

die Kosten der Berufungsinstanz der Klägerin aufzuerlegen.

2.   Das Landgericht hat im Urteil vom 7.10.2004 unter Ziffer IV. den Streitwert des Verfahrens bis zum 13.10.2004 auf 120.650,-- EUR und für die Zeit danach auf 125.650,16 EUR festgesetzt.

Das Endurteil wurde dem Beklagten am 14.10.2004 zugestellt. Mit am 28.10.2004 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag legte der Beklagte gegen den Streitwertbeschluss Beschwerde ein.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Streitwert für den Unterlassungsantrag von 90.000,-- EUR auf 10.000,-- EUR herabzusetzen sei, da das zu berücksichtigende wirtschaftliche Interesse der Klägerin zu hoch angesetzt worden sei. Die Klägerin habe keinen finanziellen Schaden erlitten. Es handle sich lediglich um einen Link, der die Persönlichkeitsrechte der Klägerin beeinträchtigt habe. Außerdem habe die Klägerin nur einen Betrag in Höhe von etwa 15.000,-- EUR für die streitgegenständlichen Fotografien erhalten.

Der Beklagte beantragt daher,

den Streitwertbeschluss aus dem Urteil vom 7.10.2004 für die Unterlassung auf 10.000,-- EUR herabzusetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde des Beklagten zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, zu berücksichtigen sei, dass es sich um insgesamt 10 Bilder der Klägerin gehandelt habe und dass das persönlichkeitsrechtliche Interesse der Klägerin bei einer Veröffentlichung der Bilder und ihres Namens auf einer Hardcore-Pornowebsite erheblich sei.

Das Landgericht hat der Beschwerde des Beklagten mit Beschluss vom 19.11.2004 nicht abgeholfen.

II.

1.  Der Klägerin war nach Gewährung der Prozesskostenhilfe gemäß §§ 233, 234 ZPO Wiedereinsetzung in die versäumten Berufungseinlegungs- und Berufungsbegründungsfristen zu gewähren.

Die Klägerin hat insbesondere innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO den Wiedereinsetzungsantrag gestellt und begründet.

2.  Gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO waren der Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, da unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Berufung der Klägerin - auch soweit ihr mit Beschluss vom 21.7.2005 Prozesskostenhilfe gewährt wurde - keinen Erfolg gehabt hätte.

a. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 20.10.2005 das Berufungsverfahren für erledigt hält, war ihre Erklärung dahingehend auszulegen, dass sich die Erledigungserklärung auf den gesamten Rechtsstreit bezieht. Dieses ergibt sich aus der vom Beklagten vorgelegten außergerichtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien vom 11.10.2005 (Anlage BB 1) die den Rechtsstreit vollständig bereinigt hat.

b. Der Klägerin stand unter Berücksichtigung aller wesentlicher Umstände kein Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer schweren Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artikel 1, Artikel 2 Abs. 2 GG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.

Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. BGH NJW-RR 1988, 733; NJW 1995, 861).

Der Senat ist im Gegensatz zum Landgericht der Auffassung, dass dem Beklagten im Zusammenhang mit dem Eintrag des die Klägerin betreffenden Links auf der Internetseite www.[...].de des Beklagten ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemäß § 276 Abs. 3 BGB trifft, da der Beklagte die ihn treffenden überprüfungs- und Kontrollpflichten verletzt hat. Dadurch, dass der Beklagte auf der ihm zuzurechnenden Internetseite es ermöglichte, Links zu platzieren, treffen ihn grundsätzlich auch Überwachungs- und Kontrollpflichten. Dies gilt umso mehr, da aufgrund der pornografischen Ausrichtung des streitgegenständlichen Internetangebots eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Eintragungen vorliegt, die das Persönlichkeitsrecht verletzen.

Unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, liegt jedoch keine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor, dass eine Geldentschädigung gerechtfertigt wäre:

- Die Klägerin hatte durch die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bilder in der Zeitschrift PLAYBOY eine erhöhte Gefahrenlagefür deren möglichen Missbrauch geschaffen.

- Es lag auch kein aktives Handeln des Beklagten vor, da der streitgegenständliche Link ohne aktives Zutun des Beklagten auf der ihm zuzurechnenden Internetseite platziert werden konnte. Die Fotos selbst waren auch nicht auf der Internetseite des Beklagten veröffentlicht, sondern durch den Link erfolgte nur eine Weiterleitung zu einer nicht dem Beklagten zuzurechnenden Internetseite in den Vereinigten Staaten.

- Der Beklagte entfernte unmittelbar, nachdem seitens der Klägerin dies verlangt wurde, den Link.

Somit ist nur von einem geringen Fahrlässigkeitsvorwurf zu Lasten des Beklagten auszugehen.

Hinzu kommt, dass der Beklagte zumindest keine unmittelbaren finanziellen Vorteile durch die Platzierung des Links hatte und eventuelle mittelbare Vorteile unbedeutend sind.

c. Der Klägerin stand auch kein weitergehender bereicherungsrechtlicher Anspruch gemäß § 812 f. BGB zu.

Eine unmittelbare Bereicherung des Beklagten liegt nicht vor, da er selbst keine Bildnisse der Klägerin verbreitete, sondern nur durch die Veröffentlichung eines Links zu der die Bildnisse beinhaltenden Webseite beitrug. Die durch die Bildveröffentlichung fiktiv angefallenen Lizenzgebühren ersparte sich somit nicht der Beklagte sondern der Betreiber des Internetangebots, auf der die Bilder der Klägerin veröffentlicht waren.

Soweit der Beklagte dadurch Geld verdiente, dass er über das Jugendschutzsystem www.alterskontrolle.de den Zugang zu seinem Internetangebot gegen ein Entgelt ausgestaltet hat, lag zwar - da dadurch auch der Zugang zum der die Klägerin betreffenden Link erst ermöglicht wurde - eine mittelbare Bereicherung des Beklagten vor, die aber- anders als bei der Berücksichtigung fiktiver Lizenzgebühren für die Veröffentlichung von Bildern - auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 287 ZPO nicht messbar ist. Das streitgegenständliche Link war nur eins von vielen, das Nutzer erst nach Zahlung des Nutzungsentgelts in Höhe von 39,80 EUR finden konnten.

d. Gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO hat es auch bei der Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils vom 7.10.2004 sein Bewenden. Nachdem die Berufung der Klägerin - auch soweit ihr Prozesskostenhilfe gewährt wurde - unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen kein Erfolg gehabt hätte, gibt es keinen Grund, die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu ändern.

4.   Die zulässige Beschwerde des Beklagten gegen die Streitwertfestsetzung unter IV. des Endurteils vom 7.10.2004 war zurückzuweisen.

Auch wenn - wie oben ausgeführt - die Klägerin keinen Anspruch auf Geldentschädigung wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend machen kann, lag durch das streitgegenständliche Link eine nicht nur unerhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin vor. Es wurden 10 Bilder der Klägerin - also eine relativ große Zahl - veröffentlicht. Außerdem handelte es sich um Aktaufnahmen der Klägerin, die in einem pornografischen Umfeld veröffentlicht wurden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände - gem. § 15 GKG, § 4 Abs. 1 ZPO bezogen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung - war die Festsetzung des Streitwerts für den Unterlassungsantrag auf 90.000,- EUR angemessen, da sich dieser auf ein in der Zukunft liegendes Verhalten des Beklagten (Unterlassung) richtete. Die Ablehnung der geltend gemachten Geldentschädigung der Klägerin beruht hingegen insbesondere auf dem geringen Fahrlässigkeitsvorwurf gegen den Beklagten, der bei der Bemessung des Unterlassungsanspruchs keine wesentliche Bedeutung hat.

Eine Kostenentscheidung war insoweit nicht veranlasst.

Dr. Spangler          Scholtyssek            Lemmers

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