LANDGERICHT BERLIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Entscheidung vom 17. Dezember 2013
Aktenzeichen: 102 O 92/13
In dem Rechtsstreit
hat die Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 1217, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Pade und die Handelsrichter Paul und Schuster
für Recht erkannt:
1.Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 1. Oktober 2013 wird unter Zurückweisung des Antrags auf ihren Erlass aufgehoben.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Antrags abzuwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung wegen seiner Auffassung nach wettbewerbswidrigen Handelns im Rahmen von dessen Internetauftritt in Anspruch.
Der Antragsteller betreibt als Einzelkaufmann unter der Firma [...] einen Handel für elektronische Geräte. Er nutzt zu diesem Zweck einen Internetshop, der unter der Domain »[...]« zu erreichen ist.
Der Antragsgegner bietet in dem von ihm unter der Adresse »[...]« betriebenen Onlineshop gleichfalls Elektronikgeräte und —bauteile zum Kauf an.
Der Antragsteller nahm im Shop des Antragsgegners am 24. Juli 2013 eine Testbestellung vor. Dabei stellte er fest, dass die Bestellung nach Eingabe der Rechnungs- und Versanddaten über einen mit „Bestellung abschicken" beschrifteten Button ausgelöst wurde. Darüber hinaus konnten über die unten auf der Seite befindliche Schaltfläche „AGBs" zwar die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Antragsgegners abgerufen werden. Der Bestellvorgang wurde in diesem Fall aber abgebrochen. Eine ausdrückliche Möglichkeit zur Speicherung der Geschäftsbedingungen wurde nicht angeboten. Im Fließtext der AGB war in § 11 die Bestimmung „Widerrufsrecht" enthalten. Der entsprechende Abschnitt war gegenüber dem sonstigen Inhalt der Geschäftsbedingungen nicht weiter hervorgehoben, sondern insoweit identisch gestaltet.
Der Antragsteller mahnte den Antragsgegner mit Schriftsatz seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2013 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Der Antragsgegner reagierte hierauf nicht, nahm aber zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Änderungen in seinem Onlineshop vor.
Entsprechend dem Antrag des Antragstellers vom 13. September 2013 hat die Kammer dem Antragsgegner mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel aufgegeben,
a) es zu unterlassen, auf dem durch ihn betriebenen Internetshop »[...]« auf der Bestellseite die die Bestellung auslösende Schaltfläche mit der Beschriftung „Bestellung absenden" zu versehen und stattdessen die Schaltfläche mit einer in § 312g Abs. 3 Satz 2 BGB vorgesehenen Beschriftung zu versehen;
b) die von ihm verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Homepage des Internetshops »[...]« in einer Form einzustellen, die dem Kunden es ermöglicht, diese bei Vertragsschluss in wiedergabefähiger Form zu speichern;
c) die Belehrung über das Widerrufs- und Rückgaberecht für Verbraucher innerhalb der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form gern. Art. 246 § 2 EGBGB einzustellen.
Hiergegen richtet sich der Antragsgegner im Wege des Widerspruchs.
Der Antragsteller beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 1. Oktober 2013 zu bestätigen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung des Verfügungsbeschlusses des erkennenden Gerichts vom 1. Oktober 2013 zurückzuweisen.
Der Antragsgegner behauptet, der beantragten Verfügung fehle es bereits am erforderlichen Eilbedürfnis, weil der Antragsteller seine Webseite zum ersten Mal am 18. April 2013 und dann wiederholt zwischen dem 22. April und dem 19. Juli 2013 aufgesucht habe bis er dann am 24. Juli 2013 den von ihm beschriebenen Testkauf vorgenommen habe. Nach diesem habe er — nach Ansicht des Antragsgegners — auch nicht bis zum 19. September 2013 mit einer Antragstellung zuwarten dürfen.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dass die gestellten Anträge allesamt unzulässig seien. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten des Antragsgegners, sondern könne lediglich die Beseitigung eines wettbewerbswidrigen Zustands verlangen. So sei er — der Antragsgegner — im Rahmen der Abwicklung des Bestellvorgangs nicht gezwungen, die Lösung über eine Schaltfläche zu wählen. Er könne seine Kunden auch auf andere Weise auf das Entstehen einer Zahlungsverpflichtung hinweisen. Der Antrag zu 1 b) wiederhole lediglich den Gesetzeswortlaut, wobei offen bleibe, was der Antragsteller unter »wiedergabefähiger Form« verstehe. Zudem sei es dem Nutzer jederzeit möglich, die Seite, auf denen die AGB enthalten seien, entweder als HTML-Dokument abzuspeichern oder den Text zu kopieren und in eine Textverarbeitung einzufügen. Auch der Antrag zu 1 c) stelle sich als bloße Wiederholung des Gesetzestextes dar, wobei die ihm aufgegebene Verpflichtung in der im Beschluss enthaltenen Form überhaupt nicht bestehe, da das Gesetz ein Nebeneinander von Widerrufs- und Rückgaberecht nicht vorsehe. Zudem könne er sich dafür entscheiden, die Belehrung außerhalb seiner AGB anzubieten.
Schließlich sei die einstweilige Verfügung vom 1. Oktober 2013 nicht rechtzeitig vollzogen worden. Bei dem Zustellungsstück sei lediglich der gerichtliche Beschluss selbst beglaubigt gewesen, nicht aber die verbundenen Anlagen. Auch auf der letzten Seite des Anlagenkonvoluts habe sich kein Beglaubigungsvermerk der die Zustellung ausführenden Gerichtsvollzieherin befunden.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Beschluss vom 1. Oktober 2013 um eine Gebotsverfügung handele, die nach Maßgabe des § 888 ZPO zu vollstrecken sei. Einen entsprechenden Antrag habe der Antragsteller innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 17. Dezember 2013 verwiesen.
Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 1. Oktober 2013 war unter gleichzeitiger Zurückweisung des Antrags auf ihren Erlass zurückzuweisen. Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller gegen den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sicherungsfähige Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG besitzt, konnte die ergangene Entscheidung bereits aus formalen Gründen keinen Bestand haben.
1. Das Landgericht Berlin war für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Nach Maßgabe des § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG kann für Klagen aufgrund des UWG neben dem Wohnsitzgericht des Gegners wahlweise dasjenige Gericht angerufen werden, in dessen Bezirk der Tatbestand des behaupteten Wettbewerbsverstoßes begangen worden ist. Bei Handlungen, die im Internet begangen werden, ist jeder Ort als Begehungsort anzusehen, an dem die Informationen dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht werden und keine bloß zufällige Kenntnisnahme vorliegt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG, 31. Aufl., Rz. 16 zu § 14 UWG). Die vom Antragsgegner über seinen Onlineshop angebotenen Artikel waren innerhalb Deutschlands erhältlich, sodass sich sein Angebot an beliebige Personen im Inland richtete, darunter auch an solche, welche die Shopseiten in Berlin abgerufen haben.
2. Bei den Parteien handelt es sich um Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG, da beide versuchen, vergleichbare Artikel in Form von Elektronikartikeln, und hierbei unter anderem Messtechnik, an Endverbraucher abzusetzen. Im Bereich des Absatzwettbewerbs sind an das Vorliegen der Mitbewerbereigenschaft keine hohen Anforderungen zu stellen. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt regelmäßig lediglich voraus, dass die betroffenen Unternehmen die gleichen oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Abnehmerkreises abzusetzen versuchen.
3. Auf die Begründetheit der am 1. Oktober 2013 ergangenen einstweiligen Verfügung konnte es im Einzelnen nicht mehr ankommen, da diese, wie oben bereits ausgeführt, aus formellen Gründen keinen Bestand haben konnte und aufzuheben war.
a) Nach den §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO sind im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügungen innerhalb einer Frist von einem Monat ab ihrer Verkündung zu vollziehen, wobei die Vollziehung zugleich die Vollstreckung des vorläufigen Titels wie auch Voraussetzung dafür ist, dass die durch das Gericht getroffene Anordnung über die Monatsfrist hinaus wirksam bleibt (vgl. Anders, WRP 2003, 204). Bei Unterlassungstiteln in Urteilsform kommt als taugliche insoweit Vollziehungshandlung regelmäßig nur die Parteizustellung in Betracht, um dem Antragsgegner gegenüber klarzustellen, dass von der erwirkten Anordnung auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden soll (vgl. BGH, WRP 1989, 514, 517).
b) Die Versäumung der Vollziehungsfrist macht die einstweilige Verfügung unheilbar unwirksam, was zwingend zu einer Aufhebung führt (vgl. etwa OLG Dresden, Urteil vorn 11. August 2009, 14 U 1026/09, BeckRS 2011, 01734). Dabei steht es dem Antragsgegner bei einer Beschlussverfügung frei, ob er deren mangelnde Vollziehung im Rahmen eines Widerspruch nach § 924 ZPO geltend macht — wie es der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren getan hat — oder ob er die Aufhebung im Verfahren nach § 927 ZPO erreichen will (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., Rz. 2 1zu § 929 ZPO).
c) Die Parteizustellung einer einstweiligen Verfügung erfolgt nach den §§ 191, 192 ZPO durch den Gerichtsvollzieher, wobei eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der gerichtlichen Entscheidung zu übergeben ist (vgl. Berneke, Einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rz. 316 m.N.). Dem Antragsgegner ist mithin grundsätzlich die vollständige gerichtliche Entscheidung zuzustellen.
d) Vor diesem Hintergrund wird eine ohne Begründung versehene Beschlussverfügung, die auf Anlagen Bezug nimmt, dann wirksam vollzogen, wenn dem Schuldner neben dem Beschluss selbst auch zumindest diejenigen Anlagen zugestellt werden, die Aufschluss über den Inhalt und die Reichweite des Verbots geben können. Hierzu gehören in jedem Fall Anlagen, auf die im Verbotstenor verwiesen wird, sowie in der Regel auch die Antragsschrift, die in Ermangelung einer Beschlussbegründung zur Ermittlung des Verbotskerns herangezogen werden kann. Ob darüber hinaus die Zustellung weiterer Anlagen für eine wirksame Vollziehung erforderlich ist, hängt davon ab, ob der Schuldner ihnen weitere Anhaltspunkte über Inhalt und Umfang des ausgesprochenen Verbots entnehmen kann (vgl. OLG Frankfurt, GRUR-RR 2011, 340).
e) Die Begründung der Beschlussverfügung vom 1. Oktober 2013 nahm ausdrücklich Bezug auf die urkundlich verbundene Antragsschrift und die verbundenen Schriftsätze vom 24. und 30. September 2013. Damit handelte es sich bei diesen Anlagen nicht nur um solche, von denen das Gericht meinte, dass sie dem Antragsgegner zu einem besseren Verständnis der ergangenen Maßnahme dienen könnten, sondern um Bestandteile des Beschlusses. Da sich der Beschlusstenor im Übrigen auf recht allgemein gehaltene Formulierungen beschränkte, war die Kenntnis der Anlagen für den Beklagten für die Kenntnis des Umfangs der ihn treffenden Verpflichtungen von maßgeblicher Bedeutung.
f) Die Übereinstimmung zwischen den zugestellten Anlagen und den Anlagen, welche dem Gericht vorliegen, kann bei Zustellung einer Abschrift anstelle einer Ausfertigung nur sichergestellt werden, indem diese Anlagen - wie auch der eigentliche Beschluss selbst - beglaubigt werden. Dies setzt grundsätzlich eine Beglaubigung jeder einzelnen Seite des Zustellungsstücks voraus. Erfolgt eine solche nicht, ist auch eine abschließende Beglaubigung möglich, wenn und soweit die einzelnen Seiten eine feste Verbindung aufweisen, die nicht ohne Substanzbeeinträchtigung wieder aufgelöst werden kann.
g) Zwar mag hierbei im Einzelfall eine Verbindung der Seiten durch Heftklammern ausreichen, es ist aber bereits fraglich, ob hierzu eine einzelne Klammer ausreicht, da diese häufig ohne eine wesentliche physische Beschädigung des Zustellungsstücks entfernt werden kann.
Gravierender und letztlich schädlich war vorliegend allerdings der Umstand, dass sich der Beglaubigungsvermerk auf der zweiten Seite des eigentlichen Beschlusses befand und ein solcher auf den zugestellten Anlagen völlig fehlte. Ein Beglaubigungsvermerk bezieht sich nämlich nur dann auf auf das gesamte zugestellte Schriftstück, wenn er sich auf der letzten Seite befindet (vgl. auch BGH, NJW 2004, 506, 508 — Euro-Einführungsrabatt). Aus diesem Grund war hier für den Antragsgegner nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu erkennen, ob die unbeglaubigt gebliebenen Anlagen in identischer Form tatsächlich Bestandteile der vom Gericht erlassenen Beschlussverfügung gewesen sind.
h) Eine Heilung gemäß § 189 ZPO kam nicht in Betracht. Zum einen ist dem Antragsgegner eine ordnungsgemäße Ausfertigung des Beschlusses auch nach Ablauf der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht zugegangen. Zum anderen ist eine Heilung nach dieser Vorschrift lediglich der Verletzung zwingender Zustellvorschriften möglich, nicht aber bei solchen Mängeln, welche zum zuzustellenden Dokument selbst anhaften (vgl. Ahrens/Büttner, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 57, Rz. 41).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die weitere Nebenentscheidung beruht auf den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Pade Paul Schuster