Nach Rücknahme der Berufung hat sind vom Berufungskläger auch die Kosten einer Anschlussberufung des Prozessgegners zu tragen. Das gilt auch dann, wenn der Berufungsrücknahme ein gerichtlicher Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorausgegangen ist.
Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschl. v. 10.11.22, I-16 WU 124/21
Streitwert: 5.600,00 €
Tenor
Der Kläger ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig, nachdem er seine Berufung gegen das am 11.08.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (14e 0 160/19) zurückgenommen hat.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 516 Abs. 3 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.600,00 € festgesetzt (Berufung: 5.000,00 €; Anschlussberufung: 600,00 €).
Gründe
I.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Datenauskunft nach der DS-GVO sowie einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Weitergabe seiner E-Mail- Adresse geltend gemacht.
Das Landgericht hat der Klage unter Klageabweisung im Übrigen teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine vollständige Kopie der zu seiner Person erfassten personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, nämlich unter Vorlage von Kopien Auskunft zu erteilen (a) zum gesamten von ihr gespeicherten Schriftverkehr, der personenbezogene Daten zum Kläger enthält, mit Ausnahme der Informationen zu Bewegungen auf seinen Bankkonten und Auftragsdaten (z.B. Zahlungs- und Wertpapieraufträge); (b) zu den zur Person des Klägers verarbeiteten Authentifikationsdaten (z.B. Unterschriftsprobe), Kreditrahmen, Produktdaten (z.B. Einlagen, Kredit- und Depotgeschäft), Informationen über seine finanzielle Situation (z.B. Bonitätsdaten, Scoring-/Ratingdaten, Herkunft von Vermögensdaten), Werbe- und Vertriebsdaten (inkl. Werbescores), Dokumentationsdaten (z.B. Beratungsprotokoll), Registerdaten. Hinsichtlich des auf Unterlassung gerichteten Antrags zu 2) hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Gegen diese rechtliche Würdigung hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewendet, mit der er das landgerichtliche Urteil unter Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen als fehlerhaft gerügt hat, soweit die Klage mit ihrem Klageantrag zu 2) abgewiesen worden ist. Die Beklagte hat das erstinstanzliche Urteil im Umfang der Abweisung der klägerseits verfolgten Ansprüche als zutreffend verteidigt und ihrerseits mit Schriftsatz vom 06.09.2021 Berufung eingelegt und beantragt, die erstinstanzliche Entscheidung im Umfang ihrer erfolgten Verurteilung aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Mit Berufungsbegründung vom 13.12.2021 hat die Beklagte, nachdem klägerseits Bedenken an der Zulässigkeit der Berufung mangels Erreichens der notwendigen Beschwer geäußert worden waren, ausdrücklich erklärt, ihre Berufung hilfsweise als Anschlussberufung verstanden wissen zu wollen.
Der Senat hat gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit Hinweisbeschluss vom 08.09.2022 darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung des Klägers durch einstimmigen Senatsbeschluss beabsichtigt sei, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg verspreche und die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung habe noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere noch eine mündliche Verhandlung geboten sei. In Bezug auf die Berufung der Beklagten hat der Senat darauf hingewiesen, dass diese gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zwar wegen Nichterreichens der notwendigen Beschwer von mehr als 600,00 € unzulässig und deshalb nach dem ausdrücklichen Willen der Beklagten gemäß § 140 BGB in eine zulässige Anschlussberufung umzudeuten sei, jedoch gemäß § 524 Abs. 4 ZPO die Anschließung wegen der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO wirkungslos bleiben werde.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2022 hat der Kläger seine Berufung zurückgenommen.
II.
Nach Rücknahme der Berufung hat die Anschlussberufung ihre Wirkung verloren, § 524 Abs. 4 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem Kläger nach § 516 Abs. 3 ZPO aufzuerlegen. Dazu gehören auch die Kosten der Anschlussberufung des Beklagten.
1.
Gemäß § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind einem Berufungskläger in der Regel auch die Kosten einer zulässig erhobenen Anschlussberufung aufzuerlegen, wenn diese ihre Wirkung durch Rücknahme der Berufung verliert (BGH, Beschluss vom 26.01.2005 - XII ZB 163/04, juris, Rn. 4 f.). Die Anschlussberufung ist kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb des vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels. Wird die Anschlussberufung durch die im Belieben des Berufungsklägers stehende Rücknahme der Berufung ohne gerichtliche Sachentscheidung hinfällig, können die diesbezüglichen Kosten dem Anschlussberufungskläger weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung der §§ 91 ff. ZPO auferlegt werden (BGH, Beschluss vom 07.02.2006 - XI ZB 9/05, juris, Rn. 6).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Berufungsrücknahme ein gerichtlicher Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorausgegangen ist. Auch in diesem Fall wird die Anschlussberufung durch eine im Belieben des Berufungsklägers stehende Prozesshandlung ohne gerichtliche Sachentscheidung hinfällig. Dies zeigt sich daran, dass dem Berufungskläger zusammen mit dem Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Es steht dem Berufungskläger frei, seine Berufung aufrecht zu erhalten und eine gerichtliche Sachentscheidung herbeizuführen. Entschließt er sich zur Rücknahme der Berufung, können die Kosten der Anschlussberufung nicht anders verteilt werden als in Fällen der Berufungsrücknahme nach einem nicht unter den Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ergangenen Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht (BGH, a.a.O., Rn. 7).
2.
Hieran vermag auch der Umstand, dass die infolge der Zurücknahme der Hauptberufung hinfällige Anschlussberufung aus der Umdeutung einer unzulässigen selbstständigen Berufung hervorgegangen ist, nichts zu ändern (vgl. BGH, Beschluss vom 07.02.2007-XII ZB 175/06, juris, Rn. 12 ff.).
3.
Etwas Abweichendes würde lediglich in dem - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefall gelten, dass über das Anschlussrechtsmittel in der Sache entschieden wird, sei es, dass es als unbegründet zurückgewiesen wird, sei es, dass die nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordene Anschlussberufung weiterverfolgt wird und diese als unzulässig zu verwerfen ist. In diesem Fall ist das Anschlussrechtsmittel auf Kosten dessen zu verwerfen, der es eingelegt hat. Dann ergeht über das unselbstständige Anschlussrechtsmittel eine eigene Entscheidung, die nach dem Grundsatz des § 97 Abs. 1 ZPO bei der einheitlichen Kostenentscheidung zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt, wenn der
Anschlussrechtsmittelkläger in die Rücknahme des Rechtsmittels eingewilligt hat und die Einwilligung zur Wirksamkeit der Rücknahme notwendig war. Denn dann hat er selbst daran mitgewirkt, sein unselbstständiges Anschlussrechtsmittel zu Fall zu bringen. Auch in solchen Fällen fehlt es an einer Abhängigkeit der Anschließung von dem eingelegten Rechtsmittel, weil der Rechtsmittelkläger bei der im notwendigen Einverständnis bewirkten Rücknahme dem Anschlussrechtsmittelkläger die Möglichkeit zur Durchführung des Verfahrens nicht in freier Entschließung nimmt. Auch in diesen Fällen versagt der Grundgedanke für die Anwendung des § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO hinsichtlich der Kosten der Anschließung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26.01.2005 -XII ZB 163/04, juris, Rn. 6).
Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend aber nicht gegeben, zumal die Beklagte ausweislich ihres Schriftsatzes vom 21.10.2022 ausdrücklich nicht an ihrem Rechtsmittel festgehalten hat. Auch war eine Einwilligung der Beklagten in die Rücknahme der Berufung des Klägers nicht notwendig, weshalb es im Ergebnis bei der Anwendung des Grundgedankens nach § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO verbleibt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.