OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.05.14, 8 W 184/14

 eigenesache Ist einem gerichtlichen Vergleich nicht zu entnehmen, ob der Anspruchsinhaber auf die Erstattung einer außergerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr verzichtet hat oder ob der Anspruch als erfüllt gelten soll, kommt eine Anrechnung nach § 15a RVG nicht in Betracht.

Beschwerdewert: 321,00 €

baden-wuerttemberg

OBERLANDESGERICHT STUTTGART
8. Zivilsenat
BESCHLUSS

Aktenzeichen: 8 W 184/14
Entscheidung vom 20. Mai 2014

In Sachen

[...]

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch Richterin am Oberlandesgericht Dr. Zeller-Lorenz als Einzelrichterin gemäß § 568 S. 1 ZPO beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Stuttgart vom 10.03.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 321 €

Gründe

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch sowie die Zahlung vorgerichtlich für ein Abmahnschreiben entstandener Rechtsanwaltskosten i.H.v. 859,80 € geltend gemacht. Am 13.01.2014 haben die Parteien einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte verpflichtet hat, bestimmte Angaben in ihrer Werbung für Schmuckstücke zu unterlassen. Die Klägerin hat die Unterlassungserklärung des Beklagten angenommen und den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklärt. Der Erledigungserklärung hat sich der Beklagte angeschlossen. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 1/4 zu tragen, der Beklagte 3/4.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 15.01.2014 hat die Klägerin unter anderem eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 W RVG aus dem Streitwert von 20.000 € i.H.v. 964,60 € geltend gemacht.

Der Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass im Hinblick auf § 15a RVG auf Seiten der Klägerin nur eine 0,65 Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht werden könne, da deren jetzige Prozessbevollmächtigte für ihre außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt hätten. Dieser Anspruch sei durch den Vergleich in voller Höhe erfüllt worden.

Der Rechtspfleger hat die Verfahrensgebühr in der geltend gemachten Höhe in den Kostenausgleich einbezogen, da er die Voraussetzungen für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht für erfüllt erachtet hat.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 14.03.2014 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 24.03.2014 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er weiterhin die Ansicht vertritt, dass die vorgerichtliche Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei, da beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht worden seien. Hinzu komme, dass die Parteien sich in der mündlichen Verhandlung darauf geeinigt hätten, dass der Beklagte die außergerichtlich entstandenen Kosten der Klägerin nicht zu übernehmen habe. Eine Verpflichtung zur Zahlung einer Geschäftsgebühr könne auch in der Weise erfüllt werden, dass der Anspruchsinhaber ganz oder teilweise darauf verzichte. Ebenso gut könne in der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Einigung der Parteien eine Titulierung auch der Geschäftsgebühr zu sehen sein.

Die Klägerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg, da der Rechtspfleger zu Recht und mit zutreffender Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anrechnung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß § 15 a RVG verneint hat.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich beinhaltet keinen Vollstreckungstitel in Bezug auf die vorgerichtliche Geschäftsgebühr, da er keine Zahlungspflicht des Beklagten enthält. Eine Vollstreckung wegen der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aufgrund des Vergleichs wäre nicht möglich.

b) Ein Dritter - hier der Beklagte - kann sich auf die Aufrechnung gemäß § 15 a Abs. 2 RVG auch berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat.

Hier haben die Parteien nach Abgabe der Unterlassungserklärungen durch den Beklagten den Rechtsstreit übereinstimmend insgesamt für erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung ist nicht zu entnehmen, ob von einer Erfüllung des Anspruchs oder von einem Verzicht auf ihn auszugehen ist. Abgesehen davon, dass durch den Vergleich vom 13.01.2014 keine Zahlungsansprüche der Klägerin tituliert worden sind, trägt der Beklagte selbst vor, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf eine Geltendmachung der Geschäftsgebühr verzichtet habe. Damit liegt gerade keine Erfüllung vor. Nur für diesen Fall aber soll durch § 15a Abs. 2 RVG eine Doppelbelastung des Kostentragungspflichtigen mit vergleichbaren Gebühren vermieden werden. Diese kann nicht eintreten, wenn der Berechtigte auf den Anspruch verzichtet.

c) Auch die 3. Alternative des § 15a Abs. 2 RVG, scheitert daran, dass die Voraussetzungen der Anrechnung mangels einer betragsmäßigen Bezifferung der Geschäftsgebühr im Vergleich nicht gegeben sind. Selbst wenn man Hauptsache- und Kostenfestsetzungsverfahren umfassend als »dasselbe Verfahren« im Sinne des § 15a Abs. 2 3. Alt. RVG verstehen würde, wäre nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG die Anrechnung jedenfalls daran gebunden, dass die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren erfolgreich geltend gemacht worden ist, da sie nur dann vom Rechtspfleger betragsmäßig im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren zur Anrechnung auf die Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht werden kann (vgl. BGH AGS 2011, 6 = NJW 2011, 861 = JurBüro 2011, 188).

Die sofortige Beschwerde war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; für die Gerichtskosten gilt GKG KV Nr. 1812.

Dr. Zeller-Lorenz
Richterin am Oberlandesgericht

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