VG Saarlouis, Beschl. v. 23.07.98, 1 F 73/98 - Examens-Anmeldung

Eine von einer Hochschule ermöglichte Anmeldung zu einer Diplomprüfung über das Internet ist auch dann wirksam, wenn aufgrund von im Verantwortungsbereich der Universität liegender technischer Schwierigkeiten die »virtuelle« Prüfungsanmeldung nicht funktioniert hat.

Fundstelle: NJW 1998, 3221

 

saarland

VERWALTUNGSGERICHT SAARLOUIS
BESCHLUSS

Aktenzeichen: 1 F 73/98
Entscheidung vom 23. Juli 1998

Gründe

Der Antrag des Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Regelungsanordnung im Sinne obiger Tenorierung ist nach § 123 Abs. 1 2. Alt. VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere steht dem Begehren des Antragstellers kein negativer bestandskräftiger Ablehnungsbescheid entgegen, denn unabhängig davon, daß offenbar ein schriftlicher Ablehnungsbescheid nicht existiert, ist die Rechtsbehelfsfrist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgelaufen.

Ein Anordnungsgrund ist schon deshalb gegeben, weil Eilbedürftigkeit vorliegt. Es ist dem Antragsteller nicht zuzumuten, bis zum nächsten Termin zu warten, um seine Diplomprüfungen ablegen zu können. Seine beruflichen und universitären Planungen unterliegen im Grundsatz dem Schutz aus Art. 12 Abs. 1 GG, so daß diese persönlichen, grundrechtsrelevanten Belange im Vordergrund stehen und eine - jedenfalls in der Praxis gegebene - Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen.

Dem Antragsteller steht auch nach derzeitigem Erkenntnisstand ein Anordnungsanspruch zur Seite, so daß die einstweilige Anordnung zu ergehen hat.

Das Gericht hält einen Anspruch des Antragstellers auf Zulassung zu den Diplomprüfungen trotz Nichterweislichkeit seiner »virtuellen« Prüfungsanmeldung über das Internet aus folgenden Gründen für gegeben:

Rechtlicher Ausgangspunkt der Überlegungen ist § 6 Abs. 2 der Prüfungsordnung für die Diplomstudiengänge Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik (kurz: PrüfO). Hiernach ist der Antrag auf Zulassung zu den Einzel-Diplomprüfungen schriftlich beim Antragsgegner innerhalb der ausgehängten Meldefrist zu stellen. Nach Abs. 3 dieser Regelung sind verschiedene Anlagen beizufügen.

Unstreitig ist, daß der Antragsteller die in diesen Vorschriften genannten Anforderungen nicht erfüllt hat, denn er hat nach eigenen Angaben keinen schriftlichen Antrag mit Anlagen eingereicht. Die Beteiligten sind sich aber auch darüber einig, daß dies allein den Zulassungsanspruch nicht hindern kann, denn der Antragsgegner stellt den Studenten noch eine andere Möglichkeit der Anmeldung zur Verfügung, nämlich diejenige über eine eigene Internet-Homepage, in die sich der jeweilige Diplombewerber einwählen und in der er seine individuelle Auswahl treffen kann. Obwohl hierfür eine Rechtsgrundlage fehlt, ist gegen diese Verfahrensweise so lange nichts einzuwenden, wie sie funktioniert. Der Antragsgegner akzeptiert in ständiger Übung (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG) eine solche Anmeldung, sofern sie ordnungsgemäß ist und innerhalb der in § 6 Abs. 2 PrüfO gesetzten Frist liegt. Offenbar wünscht er auch solche Anmeldungen.

Der vorliegende Fall weist nun die Besonderheit auf, daß die Anmeldung über das Internet nicht funktioniert hat, wobei zwischen den Beteiligten umstritten ist, ob ein Bedienungsfehler des Antragstellers oder ein Netzfehler Ursache war, der im Verantwortungsbereich des Antragsgegners zu finden ist.

Um diese derzeit nicht weiter überprüfbaren sich widersprechenden Behauptungen der Beteiligten rechtlich analysieren zu können, bedarf es wiederum der Heranziehung der PrüfO. Diese aufgrund § 93 UG erlassene Prüfungsordnung, die das Gericht im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes als gültig ansieht, hat mit der Form- und Fristvorschrift des § 6 Abs. 2 eine sowohl für den Studenten als auch den Antragsgegner sinnvolle Vorgabe geschaffen. Mit der Schriftform soll nämlich eine gewisse Rechtssicherheit einhergehen, die darin besteht, daß der Antrag von dem Kandidaten herrührt und dieser Antrag in »handfester« und manifestierter Form vorliegt, damit kein Zweifel am Willen des Bewerbers aufkommen kann, an der nächsten Diplomprüfung teilzunehmen. Das Gericht verkennt nicht, daß auch im Fall der herkömmlichen, von der PrüfO vorgesehenen Anmeldung mit Tinte und Papier Probleme auftauchen können. So kann es passieren, daß der Kandidat seine Unterlagen per Post absendet, diese aber nicht ankommen. Dann hat er zwar eine Zulassung beantragt, von der der Antragsgegner aber nichts weiß, weil der Brief nicht in seinen Machtbereich gelangt. In diesem Fall hätte der Diplom-Bewerber das Beweisrisiko zu tragen, denn er hätte zum einen mit einem Verlust auf dem Postweg rechnen können und zum andern hätte er sicherere Wege beschreiten können, um sich vom Eingang der Unterlagen beim Antragsgegner zu vergewissern: Ihm hätte es offengestanden, die Unterlagen persönlich gegen Quittung auszuhändigen oder sie z.B. per Einschreiben mit Rückschein übersenden zu können. Dann hätte er im Zweifelsfalle seine Urkunden vorlegen können, mit denen zu beweisen gewesen wäre, daß etwas im Normalfall die Zulassungsunterlagen - von ihm bei dem Antragsgegner eingegangen ist, und der Antragsgegner hätte - würde er dies bestreiten - genau darlegen müssen, daß die der Umschlag des Zulassungsbewerbers etwas anderes als die Anmeldung für die Diplomprüfung enthalten hätte.

Erlaubt der Antragsgegner seinen Studenten in der Praxis eine andere Art der Anmeldung zu den Diplomprüfungen, so hat er sich - sofern die PrüfO diese andere Art der Zulassung wie hier nicht regelt - an diesen eben dargestellten rechtlichen Grundlagen auszurichten und muß somit den Studierenden bei der anderen akzeptierten oder gar gewollten Antragsart dieselben Sicherungsmechanismen zur Verfügung stellen. Auf keinen Fall kann er den Studenten - wie es der Antragsgegner offenbar meint - vorhalten, sie hätten ja die konventionelle Schriftform wählen können, wenn sie sich unsicher seien. Es muß - da der Antragsgegner beide Zulassungsarten als rechtsgültig ansieht - die Entscheidung des Studenten sein, welche Form er wählt, sofern er nicht mit dem elektronischen Medium so auf Kriegsfuß steht, daß man ihm Fahrlässigkeit vorwerfen müßte, wenn er sich auf so unsicheres Terrain begibt. Hiervon kann aber nach dem Eindruck, den der Schriftsatz und die Stellungnahme sowie die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vermitteln, keine Rede sein, denn offenbar wußte der Antragsteller schon, wie er seine Tastatur vor dem Computer zu bedienen hatte, damit er seine Zulassungsanträge in den Rechner des Antragsgegners abspeichert. Er hatte eine PIN, verschiedene TANs (unstreitig ist gar, daß der Antragsteller eine TAN vor Ablauf der Frist verbraucht hatte, daß sein übermitteltes elektronisches Formular aber leer war) und hatte Kontakt zum Antragsgegner mittels Internet herstellen können.

Für den vorliegenden Fall entscheidend ist es nach der Überzeugung des Gerichts, daß das Quittungssystem im Internet nicht in ähnlicher Form ausgebaut ist, wie es im schriftlichen Verfahren möglich wäre. Zwar führt der Antragsgegner in seiner Gegenäußerung vom 21. und 22.07.1998 aus, der Antragsteller hätte eine Quittung oder eine Fehlermeldung erhalten müssen, und das Gericht hat - auch aufgrund vorhandener Sachkunde im Homebanking über T-Online bzw. andere Dialoge im Internet - derzeit keinen Zweifel, daß das System im Grundsatz funktioniert. Von entscheidender Bedeutung ist aber, daß der Antragsteller ganz offenkundig dieses Rückmeldesystem nicht kannte und nicht ohne weiteres kennen mußte. Nach derzeitiger Sachlage, die nicht weiter ermittelbar ist, hat der Antragsteller am 26.05.1998 - also fristgerecht - eine Transaktion vorgenommen. Offenbar hat das Ausfüllen der Anmeldeseite - aus welchen Gründen auch immer - nicht funktioniert, so daß der Antragsteller zwar etwas abgesandt hat, dieses »Etwas« jedoch leer war und leer beim Antragsgegner angekommen ist.

Nach den Angaben des Antragsgegners hätte in diesem Fall eine Meldung des Inhalts auf dem Bildschirm erscheinen müssen, daß keine Änderungen vorgenommen seien. Eine solche Rückmeldung ist jedoch nicht sehr aussagekräftig, denn es wird gerade nicht erläutert, daß inhaltlich Richtung Antragsgegner überhaupt nichts abgesandt wurde.

Vergleicht man diese »Leer-Mail« mit der Situation, wie sie bei einer herkömmlichen, möglicherweise jetzt oder in naher bzw. ferner Zukunft veralteten, aber immerhin - noch - rechtlich gebotenen Anmeldung per Brief in Schriftform besteht, so hätte der Antragsteller einen leeren Briefumschlag an den Antragsgegner geschickt. Dies wäre zwar allein dem Antragsteller anzulasten gewesen, aber es wäre nach Überzeugung des Gerichts für einen Diplom-Bewerber ohne weiteres erkennbar, ob ein Brief, den er zur Post bringt, mit Unterlagen gefüllt ist oder nicht. Weitaus schwieriger ist es, leere elektronische Post zu erkennen, zumal dann nicht, wenn lediglich die globale Meldung auftaucht, Änderungen seien nicht vorgenommen worden. Allein hierin zeigt sich, daß nicht die gleichen Standards angewandt werden wie es bei in § 6 Abs. 2 PrüfO geregelter Schriftform der Fall gewesen wäre.

Hinzu kommt, daß der Antragsteller offenbar davon ausgeht, eine positive Quittung bei erfolgreicher Anmeldung werde nicht ausgegeben, während sich der Antragsgegner dahingehend äußert, es werde eine Anmeldebestätigung angezeigt. Dies deutet darauf hin, daß der Antragsteller eine solche Quittung auch nicht erhalten hat. Diese technische Unklarheit aber dem Antragsteller anzulasten, ist nicht gerechtfertigt. Bietet der Antragsgegner entgegen dem Wortlaut der PrüfO diese elektronische Anmeldemöglichkeit an, muß er seine Studenten entsprechend zum einen darüber informieren, daß eine Anmeldequittung bei erfolgreicher Anmeldung ausgegeben wird, und zum anderen dahingehend aufklären, daß sie äußerst genau hierauf zu achten haben und sich diese Quittung zu Beweiszwecken ausdrucken oder abspeichern sollten. Der Unterschied zur Zulassung in Schriftform ist nämlich derjenige, daß es als allseits bekannt vorausgesetzt werden kann, welche Möglichkeiten der Beweisführung der Absender eines Briefes hat, während die Quittungsausgabe im Internet je nachdem, wie die einzelnen Seiten ausgestaltet und programmiert sind, unterschiedlich ausfallen oder gar unterlassen werden kann. Gerade das Beispiel des Antragstellers, der - dies hat er eidestattlich versichert - davon ausgegangen ist und wohl nach seinen Angaben auch davon ausgehen mußte, daß eine Quittung aus »Sicherheitsgründen« nicht möglich sei, zeigt, daß im Vergleich zu einem schriftlichen Zulassungsantrag dem Studenten derzeit eine größere Unsicherheit bei der Beweisführung aufgebürdet wird, als es nach dem üblichen, rechtlich allein vorgesehenen schriftlichen Verfahren der Fall ist.

Da die technischen Schwierigkeiten somit im Verantwortungsbereich des Antragsgegners liegen und im Lichte der PrüfO, die diese Anmeldeart gar nicht vorsieht, dem Antragsteller nicht angelastet werden können, ist er im Verfahren zur Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes so zu behandeln, als hätte er seine Zulassung elektronisch ordnungs- und fristgemäß eingereicht. Aus der Selbstbindung des Antragsgegners (Art. 3 Abs. 1 GG) und daraus, daß der Antragsteller offenbar die übrigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt (der Antragsgegner rügt jedenfalls nicht, daß diese fehlen) folgt der - vorläufige - Zulassungsanspruch, den zu erfüllen der Antragsgegner zu verpflichten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 608), der für einen Rechtsstreit um die Diplomprüfung DM 20.000 als Wert vorsieht (Nr. 15.3).

Da es hier jedoch nicht um Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung, sondern nur um die Zulassung in Teilbereichen der Diplomprüfung geht, hält das Gericht einen Wert wie bei einer Zulassung zum Studium (15.1) in Höhe des Auffangwerts für angemessen. Weil zumindest faktisch die Hauptsache vorweggenommen wird, bleibt es bei dem hauptsachebezogenen Streitwert; eine Reduzierung wegen des nur vorläufigen Charakters der Zulassung kommt nicht in Betracht. 

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