LG Düsseldorf, Urt. v. 08.07.15, 34 O 37/14 - Geld verdienen

eigenesache Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 4 Nr. 7 UWG verwirken, wenn der betroffene Mitbewerber in dem Forum, in dem die unzulässigen Äußerungen über ihn verbreitet werden, ankündigt, er werde hiergegen vorgehen, dann aber über einen Zeitraum von mehr als sieben Monaten nichts unternimmt.

 

nrw 

LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 34 O 37/14
Entscheidung vom 8. Juli 2015

In dem Rechtsstreit

[...]

hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2015 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Stöve als Vorsitzende für Recht erkannt:

I. Der Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren – im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, folgende Beiträge öffentlich zugänglich zu machen:

n) [...]

p) [...]

wie in Anlage K 2 wiedergegeben,

2. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren - zu unterlassen, wie folgt zu werben:

[...]

3. an den Kläger 995,00 € nebst Verzugszinsen hieraus seit dem 22.04.2014 nach einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung von 15.000,00 €, für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 2.000,00 €

 

Streitwert:

Klageanträge zu 1 a) bis m): 10.000,00 €

Klageanträge zu 1 n) bis p): 10.000,00 €

Klageantrag zu 2.: 5.000,00 €

Tatbestand

Der Kläger ist Buchautor und schreibt zum Thema »[...] Geld verdienen«. Der Beklagte bietet auf seiner Internetseite [...] eine durch Werbung finanzierte Plattform zum Thema »[...]« an.

Der Beklagte verfasste auf seiner Domain www.[...].de im August 2012 einen Artikel mit der Überschrift »Wer ist eigentlich dieser [...]?«. Unterhalb dieser Überschrift und oberhalb des Fließtextes heißt es in einer etwas größeren Schrifttype als der Fließtext: »Bis zu 150 € Prämie bei Depotübertrag«. Klickt der Nutzer auf diese Zeile, öffnet sich die Website der OnVista Bank, über die der Nutzer Produkte der Bank erwerben kann.

Auf den streitgegenständlichen Artikel »Wer ist eigentlich dieser [...]?« reagierten vom 10. August 2012 bis zum 05. März 2014 zahlreiche namentlich benannte Personen und eine mit »Unknown« bezeichnete Person durch Kommentare.

Insbesondere seit dem 13. August 2012 schrieb auch der Kläger selbst auf dieser Plattform, nämlich am 15.08., 17.08., am 19.12.2012 zweifach, am 15.05.2013 achtfach, am 16.05.2013 zweifach, am 19.05.2013 zweifach, am 25.05.2013 und am 09.06.2013; zu dem Inhalt der Beiträge im Einzelnen wird auf Anlage K 2 verwiesen.

»Am 26.01.2014 schrieb der Kläger: »OK — jetzt ist es genug!

Ich werde nun meinen Anwalt beauftragen diesen Blog zu schließen zu lassen und zusätzlich Strafanzeige gegen »Unknown« zu stellen. Die sollten die IP dieses Schmierers und Lügners herausfinden. (...)«

Am 05.03.2014 ergänzte er:

»Mein Anwalt und ich sind gerade dabei gegen diverse Lügen, Verleumdungen und Ehrverletzungen im Internet vorzugehen. (...)«

Mit Schreiben vom 18.03.2014 forderte der anwaltliche Vertreter des Klägers den Beklagten zur Löschung des Beitrags »[...]« und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf.

Der streitgegenständliche Blog war zumindest zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch online erreichbar.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte setzte den Kläger durch die Kommentare auf der Internetseite [...] unzulässig herab und verschleiere den Werbecharakter des Untertitels »Bis zu 150,00 € Prämie bei Depotübertrag«. Verjährung und Verwirkung der Ansprüche seien ausgeschlossen, weil die streitgegenständlichen Beiträge zum Zeitpunkt der Klagerhebung noch online veröffentlicht gewesen seien und damit eine Dauerhandlung vorliege.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren - im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, folgende Beiträge öffentlich zugänglich zu machen:

a) [...]

p) [...]

wie in Anlage K 2 wiedergegeben.

2. es bei Meldung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren - zu unterlassen, wie folgt zu werben:

[...]

3. an den Kläger 1.182,00 € nebst Verzugszinsen hieraus seit Klageerhebung nach einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erhebt die Einrede der Verjährung; jedenfalls seien die Unterlassungsansprüche verwirkt, weil der Kläger seit 2012 selbst in dem Blog mitgeschrieben habe und deshalb die Beiträge seitdem auch gekannt habe. Im Übrigen handele es sich um Meinungsäußerungen des Beklagten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und die Protokolle vom 05.11.2014 und 01.07.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet, im Übrigen nicht begründet.

I.

Der Kläger kann von dem Beklagten nicht die Entfernung der in dem Klagantrag unter Ziffer 1. a) bis m) aufgeführten Aussagen auf der Internetseite [...] verlangen, weil ein möglicher Unterlassungsanspruch wegen Herabsetzung eines Mitbewerbers nach §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 7 UWG oder wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedenfalls nach dem in § 242 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken der unzulässigen Rechtsausübung verwirkt ist.

1. Zwar sind mögliche Unterlassungsansprüche des Klägers nicht nach § 11 UWG verjährt. Wettbewerbliche Unterlassungsansprüche verjähren nach § 11 UWG in sechs Monaten, wobei die Verjährungsfrist mit der Entstehung des Anspruchs und bei Dauerhandlungen erst mit der Beendigung der Dauerhandlung beginnt. Da der Blog des Beklagten [...] auch noch bei Klagerhebung online stand und abrufbar war, ist der Blog als Dauerhandlung zu bewerten, so dass mögliche Unterlassungsansprüche nicht verjährt sind.

2. Mögliche Unterlassungsansprüche hinsichtlich des Klagantrags zu Ziffer 1. a) bis m) sind jedoch verwirkt.

Ein Recht ist nach dem in § 242 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken der unzulässigen Rechtsausübung verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deshalb die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (Piper/Sosnitza-Ohly, UWG, 6. Aufl. 2014, § 8 Rdn. 173). Bei einem Unterlassungsanpruch kommt Verwirkung praktisch nur bei Dauerhandlungen in Betracht, weil bei wiederholten gleichartigen Verletzungen jeweils ein neuer Unterlassungsanspruch entsteht (Bornkamm-Köhler, UWG, 33. Aufl. 2015, § 11 Rdn. 2.14).

Eine solche Dauerhandlung liegt hier hinsichtlich des Blogs [...] jedenfalls bis zum 25. Januar 2014 vor. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger es nicht nur wissentlich hingenommen, dass über ihn die Äußerungen unter Ziffer 1. a) bis m) des Klagantrags online auf [...] veröffentlicht waren. Der Kläger hat vielmehr über die Kenntnis hinaus auf jeden einzelnen Beitrag im Blog zeitnah selbst reagiert und damit am Blog selbst teilgenommen. Wenn er am 03.06.2013 schreibt »Werde mir jetzt überlegen diesen Blog schließen zu lassen ... anonymer Blogbetreiber, der das Wort »Journalist« in den Mund nimmt ... als wenn ein seriöser Journalist anonym bleiben muss ... ich kenne keinen seriösen Journalisten, der nicht seinen Namen an seine Artikel anfügt... Einfach ein komischer Blog hier - mit komischen Leuten teilweise - und eben auch einem komischen anonymen Blogbetreiber...« und trotz dieser geäußerten Bedenken gegen den Inhalt des Blogs nicht reagiert, konnte sich der Beklagte als Betreiber des Blogs mehr als sieben Monate - 03.06.2013 bis 26.01.2014 - darauf einrichten, dass der Beklagte keine Maßnahmen treffen werde, die möglicherweise wettbewerbswidrigen Äußerungen in dem Blog entfernen zu lassen. Ein solches Vertrauen des Beklagten war insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger schon seit Eröffnung des Blog im August 2012 nicht rechtlich gegen den Blog vorgegangen ist, sondern vielmehr kontinuierlich, einmal sogar acht Mal am Tag, in dem Blog selbst mitgeschrieben hat. Der Kläger hat über 1 1/2 Jahre nichts gegen den Blog unternommen, obwohl er dessen Impressum kannte und wusste, dass der Beklagte Rechtsanwalt verantwortlich ist (vgl. Eingabe des Klägers vom 19.12.2012).

Damit hat der Beklagte sich bis zur Reaktion des Klägers vom 26.01.2014 darauf eingerichtet, dass der Kläger den Blog toleriert; Unterlassungsansprüche bis zur Äußerung vom 26.01.2014 sind verwirkt.

II.

Der Kläger kann von dem Beklagten Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung der Einträge auf der Internetseite mmui.de im Umfang des Tenors zu Ziffer 1. n) bis p) aus §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 Nr. 7 UWG verlangen.

1. Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG auf dem weiten Markt der Vermögensberatung. Denn der Kläger verfasst Bücher zur Strategie des Vermögensaufbaus, während der Beklagte auf seiner Domain »[...]«, über Anlagestrategien informiert.

Insbesondere nimmt der Beklagte mit dem Betrieb des streitgegenständlichen Blog »[...]« zum Thema [...] am geschäftlichen Verkehr im Sinne von §§ 8 Abs. 1 und 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG teilt.

Entscheidend für ein geschäftliches Handeln eines Plattformbetreibers ist, dass der Betrieb des Portals nicht nur uneigennützig darauf gerichtet ist, Verbraucher zu informieren, sondern auch die berufliche Tätigkeit des Plattformbetreibers in den interessierten Kreisen bekannt und attraktiv zu machen und damit den Absatz der Dienstleistungen zu fördern, mit denen der Plattformbetreiber Einkommen erzielt. Demgegenüber wird ein geschäftliches Handeln im Sinne des Wettbewerbsrechts bei einem Plattformbetreiber nicht schon angenommen, wenn der Betreiber, etwa durch Werbeeinnahmen mit dem Betrieb der Plattform Gewinn erzielen möchte. Vielmehr muss der Betreiber entweder die betreffenden Produkte bzw. Buchungsmöglichkeit bereitstellen Ohly, UWG, 6. Aufl. 2014, § 8 Rdn. 135a). Wird auf der Seite des Blogs Werbung geschaltet, die mit der Internetseite des Werbenden verknüpft ist und damit dem Nutzer die Möglichkeit gibt, Produkte oder Dienstleistungen des Werbenden gegen Entgelt zu erwerben, handelt es sich auch bei dem Blog um eine geschäftliche Handlung. Denn er bietet zielgerichtet durch die Verlinkungden Ausgangspunkt für eindeutig geschäftliche Handlungen.

Nach diesen Kriterien handelt der Beklagte durch Bereitstellung der Plattform [...] geschäftlich. Auch wenn er mit dem Blog nur Werbeeinnahmen »im Umfang eines Taschengeldes« erzielt haben will und keine eigenen Dienstleistungen auf der Plattform beworben hat, war es für die Nutzer möglich, über die Werbeauftritte anderer Unternehmen, insbesondere der OnVista-Bank, direkt Geschäfte abzuschließen, was unbestritten geblieben ist.

2. Die Äußerungen, die unter Ziffer 1. n) bis p) des Tenors wiedergegeben sind, setzen sowohl die persönlichen als auch die geschäftlichen Verhältnisse des Klägers im Sinne von § 4 Nr. 7 UWG herab.

a) Insoweit fehlt dem Unterlassungsanspruch des Klägers nicht wegen Verwirkung das Rechtsschutzbedürfnis. Auch wenn der Kläger sich gegen die Äußerungen des Beklagten und weiterer Teilnehmer an dem Blog vor dem 26.01.2014 nicht rechtlich gewehrt hat, hat er damit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, dass er auch zukünftig neue wettbewerbswidrige Äußerungen auf dem Blog »[...]« verbreiten dürfe.

b) Die wertenden Äußerungen in dem Blog vom 26.01.2014 und vom 27.01.2014, wiedergegeben unter Ziffer 1. n) bis p) des Tenors, setzen die persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse des Klägers unlauter herab und sind nicht als bloße Meinungsäußerungen zulässig.

Der Beklagte haftet auch als Störer auf Unterlassung, weil er zum einen die technischen Möglichkeiten des Blogs zur Verfügung gestellt hat und zum anderen durch den Kläger und dessen Eintrag vom 26.01.2014, 12:56, darauf aufmerksam gemacht worden war, dass die Äußerung des »Unknown« vom 26.01.2014, 12:27, seiner Meinung nach strafrechtlichen Inhalt hatte. Damit hatte der Beklagte als Störer die Pflicht, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern, weil die Äußerung »Man kann hier nur eindeutig davor warnen, sich auf Geschäfte mit diesem Herrn einzulassen. Wer es allerdings in Kauf nehmen will, abgemahnt zu werden und sich vor rechtlichen Konsequenzen nicht scheut, kann ruhig eines seiner phantastischen« Geschäftsmodelle und Lizenzen zu erwerben« einen Rechtsverstoß unschwer belegt (vgl. BGH, Urteil 25.10.2011, VI ZR 93110, zitiert nach juris Rdn. 26).

III.

Der Kläger kann von dem Beklagten auch Unterlassung der verschleierten Werbung »Bis zu 150,00 € Prämie bei Depotvertrag« gemäß §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 UWG verlangen.

Diese unter der Überschrift des Blog [...] abgedruckte Zeile ist für den angesprochenen Verkehrskreis, zu dem auch die Vorsitzende gehören könnte, nicht als Werbung, insbesondere nicht als Werbung für die [...] Bank, deren Webseite sich bei Anklicken öffnet, erkennbar. Der Beklagte hat den Werbecharakter der Überschrift verschleiert, indem er dieselbe Schriftform wie im nachfolgenden Fließtext verwendet hat, lediglich 2-Punkt größer. Die Zeile ist wie eine weitere Überschrift über den Fließtext gesetzt, ohne auf den Anzeigencharakter hinzuweisen.

IV.

Der Kläger kann von dem Beklagten die Kosten der Abmahnung bei einem Streitwert von in Höhe gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG verlangen. Weitergehende Abmahnkosten sind nicht begründet, weil die Abmahnung insoweit nicht berechtigt war.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Dr. Stöve

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