Tobias H. Strömer / August 1999
Für viel Aufsehen sorgte vor kurzem eine Entscheidung des OLG Stuttgart. Die Richter haben die Deutsche Telekom AG mit einer Klage auf Zahlung von 26.000 DM für die Inanspruchnahme von Telefonsex-Angeboten abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichtes ist der Telefonsex-Vertrag sittenwidrig, da die Telekom für solche Gespräche nicht nur die technischen Möglichkeiten bereit stelle, sondern durch das Kassieren der bei 0190-Servicenummern höheren Gebühren als Inkassostelle des Anbieters tätig sei. Sie beteilige sich daher »in vorwerfbarer Weise an der kommerziellen Ausnutzung eines sittenwidrigen Geschäfts«. Die Vorinstanz hatte diesen Aspekt anders bewertet und den Kunden zur Zahlung in voller Höhe verurteilt.
In dem diesen Rechtsstreit endgültig abschließenden Urteil stellt das OLG Stuttgart entscheidend darauf ab, dass von einer wertneutralen und völlig untergeordneten Hilfstätigkeit der Telekom wegen der Gebührenteilung und der Herstellung des Kontaktes zwischen dem Telefonsex-Anbieter und den Kunden nicht die Rede sein kann. Also beteilige sie sich zum Zwecke der Gewinnerzielung an sittenwidrigen Geschäften.
Diese Entscheidung ist eine notwendige Folge des aktuellen Diskussionstandes um die Sittenwidrigkeit von Telefonsex-Verträgen. Die Frage, ob Telefonsex sittenwidrig und entsprechende Verträge deshalb unwirksam sind, hat die Gerichte wiederholt beschäftigt. Maßgeblich ist dabei, »das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen« diese Art von Verträgen mißbilligt. Die Gerichte vertreten dabei unterschiedliche Ansichten. Die einen sehen einen Verstoß gegeben, da die jeweilige Mitarbeiterin zum Objekt herabgewürdigt und zugleich im Intimbereich zur Ware gemacht wird. Das Landgericht Mannheim spricht in diesem Zusammenhang gar von einem »Wortbordell«. Die Gegenansicht weist darauf hin, dass - anders als bei Prostitution oder bei einer Peep-Show - beim Telefonsex der visuelle Reiz fehle, so dass die Anbieterin dem Anrufer nicht ausgeliefert sei. Eine Herabwürdigung der Person zur bloßen Ware sei wegen des fehlenden unmittelbaren persönlichen Kontakts nicht gegeben.
Der Bundesgerichtshof hat sich jetzt ebenfalls für Sittenwidrigkeit ausgesprochen, weil die Gesprächspartnerin für den Anrufer nichts anderes sei als eine »Gesprächsnummer«. Selbst dann, wenn keine Sittenwidrigkeit vorliege, soll das vereinbarte Entgelt - ähnlich wie bei der Heiratsvermittlung - jedenfalls nicht erfolgreich eingeklagbar sein. Anbieter solcher Dienste sollten also tunlichst Vorauskasse verlangen. Sittenwidrig und deshalb unwirksam sind übrigens auch Verträge über die Vermarktung und den Vertrieb von Telefon(sex)karten und der Kauf eines Telefonsex-Vermittlungs-Unternehmens.