LG Berlin II, Beschl. v. 12.01.24, 27 O 494/23

entscheidungen

Der Betreiber einber Bewertungsplattform kommt seiner Pflicht zur Prüfung und gegebenenfalls Löschung beanstandeter Bewertungen nach, wenn er den gerügten Beitrag unverzüglich vorläufig sperrt und nach Kommunikation mit dem Bewertenden nach 15 Tagen endgültig löscht.

Landgericht Berlin II
Beschl. v. 12.01.24, 127 O 494/23

Streitwert: 5.000,00 €

Tenor

1. Der Antrag vom 21.11.2023 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt. Die Antragsgegnerin ist Betreiberin der Domain [...].de. Hierbei handelt es sich um eine Suchmaschine für Internet-Angebote, bei der Dritte beim Eintrag zu einer Website eine auf persönlicher Erfahrung beruhende Bewertung abgeben können.

Der Antragsteller erlangte am 13.11.2023 Kenntnis, dass seine Website www.[...].de via [...].de von zwei ehemaligen Mandanten bewertet worden war. Mit E-Mail vom 13.11.2023 (Anlage AS 3) wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin und forderte diese auf, die zwei Bewertungen bis zum 15.11.2023, 12 Uhr, zu löschen. Mit E-Mails vom 14.11.2023 bat die Antragsgegnerin die zwei Autoren der angegriffenen Bewertungen um Stellungnahme hinsichtlich der Löschungsaufforderung (Anlage SR 1 und SR 2). Am selben Tag teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sie eine Prüfung hinsichtlich der Löschung eingeleitet und die Bewertungen vorerst offline genommen habe (Anlage AS 4).

Mit E-Mail vom 16.11.2023 forderte der Antragsteller - unter Bezugnahme auf die erfolgte Stellungnahme einer Rezensentin (Anlage SR 3) - die Antragsgegnerin abermals zur Löschung der Rezensionen auf (AS 6).

Mit Schriftsatz vom 21.11.2023 hat der Antragsteller Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erhoben.

Nach teilweise erfolgter Stellungnahme löschte die Antragsgegnerin die angegriffenen Rezensionen am 28.11.2023 dauerhaft.

1.

Der Antrag war zurückzuweisen. Der glaubhaft gemachte Sachverhalt rechtfertigt die Annahme eines Verfügungsanspruchs nicht. Dem Antragsteller steht kein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus 88 823, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art 1. Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, denn die Antragsgegnerin ist ihren Prüfpflichten aus der Hostprovider-Haftung nachgekommen.

Die Kammer hat mit Hinweis vom 01.12.2023 auf die fehlenden Erfolgsaussichten folgendermaßen hingewiesen:

Nach vorläufiger Beratung hat die Kammer erhebliche Bedenken hinsichtlich der Erfolgsaussichten des gestellten Antrags.

Es dürfte an dem erforderlichen Verfügungsanspruch fehlen.

1.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist als mittelbarer Störer verpflichtet, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (vgl. BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 22 m.w.N - jameda.de ll; vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, AfP 2015, 425 Rn. 34; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 21 - Blog-Eintrag). Die Haftung als mittelbarer Störer darf nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt deshalb die Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als mittelbaren Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten ist (BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 22 m.w.N. - jameda.de Il; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/710, BGHZ 191, 219 Rn. 22 - Blog-Eintrag; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 18 - Domain-verpächter;, BGH, Urteile vom 17. August 2011 - 1 ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 20 - Stiftparfüm; vom 17. Dezember 2010 - V ZR 44/10, AfP 2011, 156 Rn. 15; vom 1. April 2004 - | ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 350 - Schöner Wetten; vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 - Internetversteigerung I; vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, NJW-RR 2008, 1136 Rn. 50 - Internetversteigerung H).

Danach ist ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer seines Angebots hin, kann der Hostprovider verpflichtet sein, künftig derartige Störungen zu verhindern (BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 23 m.w.N - jameda.de II; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 24 - Blog-Eintrag; vom 17. August 2011 - 1 ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 21 - Stiftparfüm; vom 12. Juli 2007 - | ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 41 f. - Jugendgefährdende Medien bei eBay; vom 11. März 2004 - | ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internet-Versteigerung  I).

Wird eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten behauptet, wird sich eine Rechtsverletzung allerdings nicht stets ohne Weiteres feststellen lassen. Denn sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Recht jedenfalls des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich (BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 24 mw.N - jameda.de II; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 25 f. - Blog-Eintrag).

Zur Bestimmung, welcher Überprüfungsaufwand vom Hostprovider im Einzelfall zu verlangen ist, bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der die betroffenen Grundrechte der Beteiligten zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 38 m.w.N - jameda.de Il; vom 26. November 2015 - | ZR 174/14, juris Rn. 32 mwN - Störerhaftung des Access-Providers; vom 1. April 2004 - | ZR 317/01, BGHZ 158, 343, 352 ff. - Schöner Wetten). Zu welchen konkreten Überprüfungsmaßnahmen der Hostprovider verpflichtet ist, bestimmt sich damit nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der angezeigten Rechtsverletzung sowie den Erkenntnismöglichkeiten des Providers zu (vgl. BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 38 m.w.N - jameda.de Il; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 26 - Blog-Eintrag). Zu berücksichtigen sind aber auch Funktion und Aufgabenstellung des vom Provider betriebenen Dienstes sowie die Eigenverantwortung des für die persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Aussage unmittelbar verantwortlichen - ggf. zulässigerweise anonym auftretenden - Nutzers (vgl. BGH, Urteile vom 01. März 2016 - VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn.38 m.w.N - jameda.de Il; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 22 - Hostprovider; vom 5. Februar 2015 - 1 ZR 240/712, GRUR 2015, 485 Rn. 50 - Kinderhochstühle im Internet III; vom 11. März 2004 - 1 ZR 304/01, BGHZ 158, 236, 251 f. - Internetversteigerung 1). Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den Äußernden zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der Äußernde die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mit- zuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des Äußernden eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 93/710, BGHZ 191, 219 Rn. 27 - Blog-Eintrag).

2.

Nach diesen Maßstäben dürfte eine Haftung der Antragsgegnerin ausscheiden. Die Antragsgegnerin hat die Beanstandungen zur Stellungnahme weitergeleitet und anschließend die beanstandeten Einträge gelöscht. Dies erfolgte auch innerhalb einer angemessenen Frist.

Auch nach erneuter Prüfung folgt die Kammer weiterhin dieser Ansicht. Die Antragsgegnerin ist ihren Prüfpflichten als Hostprovider gerecht geworden, indem sie die Bewertungen nach Beanstandung durch den Antragsteller innerhalb von 15 Tagen - und damit zügig und dem konkreten Einzelfall angemessen - überprüfte und dauerhaft löschte.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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