OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.10, I-10 U 126/09 - Handwerkerauktion

eigenesache Die Pflicht des Betreibers eines Angebots im Internet, das Handwerker und potenzielle Kunden zusammen führen soll, besteht allein darin, seinen Kunden die Internetplattform zur Begründung eines Werkvertrages mit einem Dritten zur Verfügung zu stellen. Es besteht auch keine Nebenpflicht zur Überprüfung der Auftragsbeschreibung im Hinblick darauf, ob die dort angegebene Mindestqualifikation für die ausgelobten Arbeiten ausreichend ist. Für Fehler bei der Ausführung der dann in Auftrag gegebenen Leistungen haftet der Plattformbetreiber daher nicht.

Instanzen: LG Düsseldorf, Urt. v. 10.08.08, 6 O 11/09OLG Düsseldorf. Beschl. v. 13.01.10, I-10 U 126/09


nrw
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS

Aktenzeichen: I-10 U 126/09
Entscheidung vom 13. Januar 2010

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Keiluweit, den Richter am Oberlandesgericht Geldmacher und die Richterin am Oberlandesgericht Goldschmidt-Neumann am 13. Januar 2010

beschlossen:

1. Der Termin vom 18.02.2010 wird aufgehoben.

2. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das am 10. August 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil diese keine Aussicht auf Erfolg hat.

Gründe

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 546 ZPO) noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zu Grunde zu legenden Tatsachen (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 ZPO) eine abweichende Beurteilung. Das Landgericht hat die Schadensersatzklage mit zutreffender Begründung, die der Senat teilt, abgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Das beruht, soweit das Vorbringen des Kläger Anlass zur Erörterung gibt, auf folgenden Erwägungen:

I.

Die Beklagte haftet dem Kläger weder wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB noch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Der Kläger, dem insoweit die Darlegungs- und Beweislast obliegt, hat eine objektive Pflichtverletzung der Beklagten bereits nicht dargelegt. Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Klägers nicht verpflichtet, diesen im Rahmen der streitgegenständlichen Auktion (zum Begriff siehe Nr. 2 der AGB der Beklagten vom 13.10.2006/GA 159) darüber aufzuklären, dass der Auftragnehmer [...] (nachfolgend »Auftragnehmer«) - die Behauptung des Klägers insoweit unterstellt - nicht die für die Durchführung der vom Kläger als »Auftraggeber« über die Internetplattform der Beklagten nachgefragten Dachdeckerarbeiten verfügte. Eine diesbezügliche Hinweispflicht der Beklagten ergab sich weder aus den gemäß § 305 BGB durch Registrierung des Klägers in den Vertrag der Parteien einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (vgl. Nr. 3 AGB/GA 160) noch aus allgemeinen Grundsätzen. Gemäß Nr. 5.1 AGB bestand die von der Beklagten geschuldete Vermittlungsleistung in der Bereitstellung der »[...].de-Internetplatform« zur Suche nach und Durchführung von Handwerks- und Dienstleistungsauktionen. Nr. 5.4. AGB präzisiert die Vertragspflicht der Beklagten dahingehend, dass diese nur die technische Plattform für die Vergabe von Aufträgen betreibt und an den hierüber vergebenen Aufträgen weder als Vertragspartei bzw. Erfüllungsgehilfe noch in sonstiger Weise beteiligt ist. Hiermit korrespondierend stellen die weiteren AGB der Beklagten klar, dass diese keinerlei Gewähr für die Richtigkeit der angegebenen Daten anderer Nutzer (z. B. Angaben zur Qualifikation, Referenzen oder Bonität) übernimmt (Nr. 6.3 AGB) und dem Auftraggeber ab Auktionsende eine eigene Pflicht obliegt, das erfolgreiche Gebot zu prüfen. Hierzu gehört auch ohne ausdrückliche Erwähnung die Prüfung, ob der erfolgreiche Bieter die für die Durchführung des Auftrags erforderlichen handwerklichen Voraussetzungen erfüllt. Das Landgericht hat hieraus und aus der Bezeichnung als Internetplattform zutreffend abgeleitet, dass für den Kläger als verständigen Empfänger (§ 133 BGB) bei der von ihm zu fordernden sorgfältigen Durchsicht der AGB ohne weiteres erkennbar war, dass die Beklagte ihm gegenüber keine Prüfungs- und Beratungsleistung übernehmen wollte bzw. übernommen hat. Rechtserhebliches hierzu ist der Berufung nicht zu entnehmen.

Der Kläger hatte auch sonst keinen begründeten Anlass für die Annahme, die Beklagte werde eine Überprüfung der fachlichen Qualifikation des Auftragnehmers vornehmen und ihn über ein etwaiges negatives Ergebnis unterrichten. Ein entsprechendes Vertrauen lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus Nr. 6.7 AGB (GA 162) ableiten. Soweit danach vorgesehen ist, dass Auftragnehmer verpflichtet sind, innerhalb von sieben Tagen nach der Anmeldung bzw. der Erstellung ihres Auftragnehmerprofils eine Kopie ihres Gewerbescheins an die Beklagte zu übermitteln und entsprechendes für sonstige zur Ausführung der ersteigerten Aufträge erforderliche Genehmigungen und/oder Zulassungen bzw. in der Anmeldung angegebene Qualifikationsnachweise (z. B. Handwerkskarte, Meisterbrief, etc.) gelten soll, betrifft dies ausschließlich das Innenverhältnis der Beklagten zu den Bietern bzw. Auftragnehmern und lässt sich auf die Rechtsbeziehung der Beklagten zu ihrem jeweiligen Auftraggeber nicht übertragen. Nr. 6.7 AGB kommt zugunsten des Klägers auch keine Drittwirkung zu. Das folgt aus Nr. 3.2 AGB (GA 160), der eine Drittwirkung anderer AGB-Klauseln - vorbehaltlich einer hier fehlenden ausdrücklich anderslautenden Regelung - ausdrücklich ausschließt. Ein entsprechender Vertrauensschutz ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass die Beklagte auf ihrer Internetplattform damit geworben haben soll, die potenziellen Auftraggeber erhielten kostenlos Angebote von »geprüften Fachleuten«, die Nutzer fänden bei der Beklagten die »besten Handwerker« und »Fachleute« bzw. »Qualifizierte Fachbetriebe« unterböten sich, um den jeweiligen Auftrag zu erhalten. Die Beklagte hat insoweit erstinstanzlich vorgetragen (GA 179 a.E.), der Kläger könne bei seiner Entscheidung, den Auftragnehmer zu beauftragen, nicht auf diese Werbung vertraut haben, weil diese von ihr erst ab September 2007, d. h. nach Abschluss der Auktion, verwendet worden sei. Dem ist der Kläger nicht mehr in erheblicher Weise entgegen getreten. Soweit die Berufung erstmals behauptet, die Beklagte haben die vorstehend dargestellten Werbeaussagen bereits vor und am 05.01.2007 in ihrer Internetplattform aufgeführt und hierfür Beweis angetreten hat, ist er hiermit gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert. Weder war die Kammer verpflichtet, den Kläger gemäß § 139 ZPO hierauf hinzuweisen, noch liegt ein Fall des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor. Dass das Urteil nicht ausdrücklich auf die genannten Werbeaussagen eingegangen ist, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Klägers nicht den Schluss, die Kammer habe diesen Gesichtspunkt ersichtlich übersehen oder für unerheblich gehalten. Zwar sind die Gerichte gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.2.2009, NZM 2009, 356). Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht genügt hat, selbst wenn es sich nicht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befasst hat. Anders liegt es, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Hieran fehlt es. Das Landgericht hat den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags des Klägers zutreffend erfasst und sich mit der zentralen Frage einer etwaigen Hinweispflichtverletzung ausführlich auseinander gesetzt. Dies impliziert auch ohne ausdrückliche Erwähnung, dass das Landgericht die vorgetragenen Werbeaussagen geprüft und diese für nicht ausreichend gehalten hat, eine Pflichtverletzung der Beklagten gegenüber dem Kläger zu begründen. Unabhängig davon, vermag der Senat der vorgetragenen Werbung bei verständiger Würdigung und unter Einbeziehung ihrer AGB nicht die Aussage zu entnehmen, die Beklagte nehme eine eigene Überprüfung der fachlichen Qualifikation vor oder wolle diese garantieren. Das Landgericht hat im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger bei Erstellung des Auftragsschreibens von der möglichen Option, einen Meisterbetrieb anzukreuzen, keinen Gerbrauch gemacht hat. Auch dies geht zu seinen Lasten. Ob Anderes zu gelten hat, wenn den für die Beklagte handelnden Personen positiv bekannt gewesen wäre, dass die vom Kläger nachgefragten Arbeiten nur durch einen Dachdeckermeisterbetrieb durchgeführt werden durften und es sich bei dem Auftragnehmer nicht um einen solchen handelte, mag dahinstehen. Mit dieser erstmals in der Berufung aufgestellten Behauptung ist der Kläger jedenfalls gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert.

Die Annahme einer deliktischen Haftung der Beklagten ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung fernliegend.

II.

Selbst wenn der Beklagten aber entgegen obigen Ausführungen die Verletzung einer Hinweispflicht anzulasten wäre, hat der Kläger gemäß § 254 BGB den Schaden in einer Weise mitverursacht und mitverschuldet, dass bei der gebotenen Gesamtabwägung eine auch nur anteilige Haftung des Beklagten unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht in Betracht kommt. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Der Kläger hat dem Auftragnehmer den Auftrag erteilt, ohne dessen fachliche Eignung für die zu erbringenden Dachdeckerleistungen zu hinterfragen. Aus dem Angebot des Auftragnehmers vom 05.02.2007 (GA 22) ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Qualifikation zur Ausführung von Dachdeckerarbeiten. Die Bezeichnung »Bau + mehr« in der Kopfzeile des Angebots ist nichtssagend und lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass es sich um einen für die Ausführung von Dachdeckerarbeiten lizensierten Betrieb handelte. Der bei einem in die Handwerksrolle eingetragenen Dachdeckerbetrieb naheliegende Zusatz »Meisterbetrieb« fehlt. Der Kläger hat sich auch offensichtlich weder nach der Eintragung des Auftragnehmers in der Handwerksrolle erkundigt noch insoweit eigene Recherchen angestellt, obwohl er gemäß Nrn. 6.3 und 12.2 auch gegenüber der Beklagten mir Überprüfung verpflichtet war. Wie die schriftliche Mitteilung der Handwerkskammer Münster vorn 03.07.2007 (GA 108) zeigt, hätte der Kläger binnen zwei Tagen durch schlichten Telefonanruf die (Nicht-)Eintragung des Auftragnehmers in die Handwerksrolle in Erfahrung bringen und hieraus entsprechende Konsequenzen ziehen können. Der Kläger hat zudem - was möglich gewesen wäre - noch nicht einmal in seiner Auftragsbeschreibung einen Meisterbetrieb verlangt und zusätzlich auf das Vorhandensein einer Betriebshaftpflichtversicherung verzichtet. Letzteres wiegt umso schwerer, als es sich auch einem Laien aufdrängen muss, dass nach der Lebenserfahrung gerade Dacharbeiten gefahrenträchtig sind, weil bei ihnen wetter- und ausführungsbedingt Wassereinbrüche und Brandschäden nicht 100 %-tig auszuschließen sind. Damit hat der Kläger nach den vorgetragenen Umständen im Hinblick auf die Erzielung eines möglichst niedrigen Preises selbst nahe liegende Sicherheitskontrollen unterlassen und den Auftrag an einen Auftragnehmer vergeben, von dem er nicht mehr wusste, als das es sich nach eigener Einschätzung um einen »Fachbetrieb« handeln sollte. Angesichts dieser nach den besonderen Umständen des Streitfalls schwer wiegenden Verantwortungslosigkeit des Klägers in eigener Sache muss ein etwaiges - im Hinblick auf die in den AGB enthaltenen Hinweise auf eine eigene Prüfungspflicht des Auftraggebers - als leicht einzustufendes Verschulden der Beklagten, den Kläger nicht darüber informiert zu haben, den Auftraggeber nicht auf seine fachliche Eignung überprüft zu haben, hinter dem Verschuldensbeitrag des Klägers ausnahmsweise zurücktreten.

Die Rechtssache hat im Übrigen weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Frist zur eventuellen Stellungnahme: 02.02.2010

Keiluweit                        Geldmacher                  Goldschmidt-Neumann

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