LG Düsseldorf, Urt. v. 04.02.13, 15 O 227/12 - Internet-System-Vertrag

eigenesache Für Bestandskunden eines Unternehmens führt der Abschluss eines weiteren »Internet-System-Vertrags« nicht zur Verlängerung der Laufzeit eines bereits bestehenden »Internet-System-Vertrags«, wenn dieses Vorhaben in dem Vertragsformular nicht hinreichend transparent für den Kunden  herausgestellt wird. Es handelt sich dann vielmehr um zwei getrennt voneinander zu behandelnde Verträge, die auch jeweils eigenständig kündbar sind.

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LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Entscheidung vom 4. Februar 2013
Aktenzeichen: 15 O 227/12

In dem Rechtsstreit

[...],

hat die 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20.12.2012 durch den Richter am Landgericht Orlik als Einzelrichter für R e c h t erkannt:

Es wird festgestellt, dass der Internet-System-Vertrag vom 18.04.2007 durch ordentliche Kündigung zum 18.04.2012 beendet worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 860,00 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 12 % der Klägerin und zu 88 % der Beklagten auferlegt. Hiervon ausgenommen sind die Kosten der Ver­weisung, die von der Klägerin zu tragen sind.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt jeweils nachgelassen, die Vollstreckung durch die andere Partei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Be­trags abzuwenden, sofern nicht die andere Partei ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Beendigung eines Internet-Systemvertrags sowie um den Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihr im Zusammenhang mit der Sperrung ihrer Internetpräsenz durch die Beklagte entstandener vorprozessualer Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin und die Beklagte schlossen am 18.04.2007 einen sog. »Internet-System-Vertrag« mit der Vertrags-Nr. [.....] mit den Leistungen »Premium Plus + CMS« (Anlage K 1, BI. 8 GA). Die Klägerin war danach zur Zahlung eines monatlichen Entgelts von netto € 180,00 zuzüglich der jeweils geltenden Mehrwertsteuer an die Beklagte für die Inanspruchnahme deren Leistungen, namentlich die Erstellung, Pflege und das Hosting einer Internet-Präsenz, die technische Wartung und Aktualisierung, verpflichtet. Die vereinbarte Laufzeit betrug 36 Monate. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz der »Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Internet-System-Vertrag« (Anlage K 1, BI. 9 GA) sollte sich die Laufzeit jeweils um 1 Jahr verlängern, wenn der Vertrag nicht drei Monate vor Ablauf der jeweiligen Vertragslaufzeit schriftlich gekündigt wurde. Am 06.12.2010 schlossen die Klägerin und die Beklagte einen sog. »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« mit der Vertrags-Nr. [....] (Anlage K 2, BI. 10 GA), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Dieser hatte gegen ein zusätzliches Entgelt bestimmte, von der Beklagten für die Klägerin zu erbringende Online-Werbeleistungen zum Gegenstand. In dem Vertragsformular heißt es auszugsweise:

»Das Partnerunternehmen und die [...] schließen hiermit einen Internet-System-Vertrag, welcher inhaltlich dem ursprünglich mit der [...] unter der oben genannten Vertragsnummer abgeschlossenen Vertrag entspricht, jedoch wie folgt erweitert wird:

(...)

Sämtliche übrigen Vertragsbedingungen bleiben unverändert. Laufzeitbeginn ist das Datum der Erstellung der Online-Werbeanzeige. Eine vollständige Version des ursprünglich geschlossenen Inter­net-System-Vertrages inklusive Allgemeiner Geschäftsbedingungen und Leistungsbeschreibungen der [...] Produkte hat das Partnerunternehmen erhalten.«

Mit Schreiben vom 14.11.2011 (Anlage K 6, BI. 16 GA) kündigte die Klägerin gegenüber der Beklagten zum einen »fristgerecht zum 17.04.2012« den am 18.04.2007 geschlossenen Internet-System-Vertrag und »mit sofortiger Wirkung« den »zusätzlich geschlossenen Vertrag« über das Online-Werbesystem Premium.

Die Beklagte wies mit Schreiben vom 21.11.2011 (Anlage K 7, BI. 17 GA) darauf hin, dass eine Kündigung der am 06.12.2010 geschlossenen Vereinbarung nicht möglich sei. Dort heißt es:

»Klarstellend möchten wir auch darauf hinweisen, dass es sich bei der g­troffenen Übereinkunft nicht um eine Verlängerung des vormals geschlossenen Vertrages handelte, sondern hier ein neuer Vertragsschluss zu ursprünglich geltenden Konditionen vorliegt.«

Mit Schreiben vom 22.12.2012 (Anlage B 1, BI. 45 GA) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie von einer Beendigung des Vertrags zum 18.04.2012 ausgehe und nur noch bis zu diesem Datum Zahlungen leisten werde.

Die Beklagte bestätigte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 23.12.2012 (Anlage K 8, BI. 18 GA) die Beendigung des »Inter-System-Vertrags« durch freie Kündigung zum 23.12.2011 unter Hinweis auf die dadurch gemäß § 649 Satz 2 BGB ausgelösten Vergütungsansprüche und bat sie unter Fristsetzung bis zum 03.01.2012 ferner um Mitteilung, falls sie ihre Kündigung nicht als solche nach § 649 Satz 1 BGB verstanden wissen wollte. Eine Reaktion der Klägerin erfolgte darauf zunächst nicht. In der Folge nahm die Beklagte die Internetpräsenz der Klägerin vom Netz, was die Klägerin am 13.01.2012 feststellte.

Mit Schreiben vom 24.01.2012 (Anlage K 4, BI. 12 GA) legte die Beklagte gegenüber der Klägerin überdies Rechnung gemäß § 649 Satz 2 BGB, die mit einem ihr behauptetermaßen noch zustehenden Restbetrag von € 2.945,63 endete.

Nachdem die Klägerin außergerichtlich zunächst selbst und sodann durch ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten außergerichtlich vergeblich versucht hatte, eine Aufhebung der durch die Beklagte bewirkten Sperrung ihrer Internetpräsenz zu erreichen, erwirkte sie am 25.01.2012 beim Landgericht Düsseldorf (16 0 26/12) eine einstweilige Verfügung, mit der die Beklagte verpflichtet wurde, die Internetpräsenz der Klägerin mit den bis zum 12.01.2012 abrufbaren Inhalten erreichbar zu machen und diese Erreichbarkeit bis zum 18.04.2012 sicherzustellen (Anlage K 5, BI. 13 ff. GA). Der Streitwert wurde auf € 75.000,00 festgesetzt. Die einstweilige Verfügung wurde der Beklagten am 31.01.2012 zugestellt, die daraufhin die Internet-Präsenz im Wesentlichen wieder freischaltete.

Mit Beschluss vom 13.02.2012 setzte das Landgericht Düsseldorf die Kosten für das einstweilige Verfügungsverfahren aus dem Streitwert von € 75.000,00 fest. Die da­nach auf die Beklagte entfallenden Kosten gleich diese am 02.03.2012 aus.

Der Klägerin entstanden durch die Beauftragung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der zunächst außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen in dieser Angelegenheit (Aufhebung der Sperrung ihrer Internetpräsenz) Anwaltskosten in Höhe von netto € 1.680,00 (1,4 Geschäftsgebühren aus einem Streitwert von € 75.000,00). Sie begehrt nunmehr mit dem Klageantrag zu 2. den Ausgleich des nicht anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr in Höhe von netto € 840,00 zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von € 20,00.

Die Klägerin meint, dass der »Internet-System-Vertrag« vom 18.04.2007 nicht durch den »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« vom 06.12.2010 umgestaltet bzw. verlängert worden sei. Entgegen der Ansicht der Beklagten handele es sich um zwei selbstständige Verträge mit der Folge, dass der Vertrag vom 18.04.2007 durch ihr Kündigungsschreiben vom 14.11.2011 (Anlage K 6, BI. 16 GA) wirksam zum 18.04.2011 beendet worden sei. Ferner habe sie Anspruch auf Erstattung der ihr im Zusammenhang mit der Aufhebung der Sperrung ihrer Internetpräsenz vorprozessual entstanden Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin beantragt,

1.  festzustellen, dass der Internet-System-Vertrag vom 18.04.2007 durch ordentliche Kündigung zum 18.04.2012 beendet worden ist;

2.  die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - € 860,00 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der »Internet-System-Vertrag« vom 18.04.2007 durch den »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Prernium« vom 06.12.2010 ersetzt und damit insgesamt eine neue, einheitliche 36-monatige Laufzeit in Gang gesetzt worden sei. Dies gehe eindeutig aus dem Vertragsformular (Anlage K 2, Bl. 10 GA) hervor und zeige sich bereits an der Überschrift. Im Vertragsdokument sei ferner ein eigener Laufzeitbeginn festgehalten; dieses weise im Übrigen auch die ursprüngliche Vertragsnummer aus, was zusätzlich gegen die Ansicht der Klägerin spreche, dass der ursprüngliche Vertrag vom 18.04.2007 noch in Geltung sei.

Sie sei auch nicht zum Ausgleich der der Klägerin behauptetermaßen im Zusammenhang mit der Sperrung ihrer Internetpräsenz entstandenen vorprozessualen Rechts­anwaltskosten verpflichtet. Es fehle schon an einer Anspruchsgrundlage. Trotz zusprechender einstweiliger Verfügung habe tatsächlich kein Anspruch der Klägerin auf die weitere Erreichbarkeit ihrer Internetpräsenz bestanden; diese sei vom Gericht überdies bis zum 18.04.2012 befristet worden. Sie sei aufgrund der ausgesprochenen Kündigungen der Klägerin zur Einstellung ihrer Leistungen berechtigt gewesen. Mangels eines entsprechenden Zahlungsnachweises stehe der Klägerin zudem - wenn überhaupt - allenfalls ein Freistellungsanspruch zu.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Sitzungsniederschrift vom 20.12.2012 (BI. 60 f. GA) sowie die nachfolgenden Feststellungen in den Entschei­dungsgründen Bezug genommen.

Die Klägerin hat zunächst Klage beim Amtsgericht Düsseldorf erhoben, das den Rechtsstreit auf ihren - der Klägerin - Antrag mit Beschluss vom 20.06.2012 (BI. 49 f. GA) an das hiesige Landgericht verwiesen hat.

Den in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2012 zunächst noch gestellten Antrag, festzustellen, dass der Internet-System-Vertrag über ein Online-Werbesystem Premium vom 06.12.2010 durch freie Kündigung vom 14.11.2011 beendet worden sei (ursprünglicher Klageantrag zu 2.), hat die Klägerin mit dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2013 mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Der (Feststellungs-) Antrag zu 1. ist zulässig und begründet.

1.
Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin folgt daraus, dass die Beklagte die Auffassung vertritt, dass der »Internet-System-Vertrag« vom 18.04.2007 durch den »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« vom 06.12.2010 ersetzt worden sei mit der Folge, dass auch hinsichtlich der Leistungen, die Gegenstand des Vertrags vom 18.04.2007 gewesen sind, eine neue 36-monatige Laufzeit, begründet worden sei, so dass dieser neue Vertrag nicht ge­mäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zum 18.04.2012 fristgerecht habe beendet werden können. Da der Klägerin damit nach Ansicht der Beklagten lediglich der Weg einer freien Kündigung des vermeintlich allein noch bestehenden Internet-System-Vertrags vom 06.12.2010 offensteht, die wegen des da­mit einhergehenden Vergütungsanspruchs nach § 649 Satz 2 BGB, dessen sich die Beklagte mit ihrer Endabrechnung vom 24.01.2012 (Anlage K 4, Bl. 12 GA) bereits berühmt hat, für die Klägerin nachteilig ist, hat sie ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung, dass der »Internet-System-Vertrag« vom 18.04.2007 durch ordentliche Kündigung zum 18.04.2012 beendet worden ist und nicht als (Bestand-) Teil des »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« vom 06.12.2010 fortbesteht.

Bei der begehrten Feststellung des Nichtbestehens bzw. der Beendigung eines Ver­trags handelt es sich auch um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 02.05.1991 - 1 ZR 184/89, Juris, Rn. 20; BGH, Urteil vom 29.09.1999 - XII ZR 313/98, Juris, Rn. 44 ff. - jeweils m.w.N.).

2.
Der Feststellungsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Der »Internet-System-Vertrag« vom 18.04.2007 ist (erst) durch das Kündigungsschreiben der Klägerin vom 14.11.2011 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingun­gen fristgerecht mit Ablauf des 18.04.2012 beendet und - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht durch den »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« vom 06.12.2010 neu begründet bzw. ersetzt worden.

a)
Das in dem mit »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« überschriebenen Vertragsformular der Beklagten vom 06.12.2010 (Anlage K 2, Bl. 10 GA) enthaltene Angebot ist vom Standpunkt eines objektiven Erklärungsempfängers ge­mäß §§ 133, 157, 242 BGB dahin zu verstehen und auszulegen, dass der Klägerin damit die Möglichkeit offeriert wird, zusätzlich zu dem bereits bestehenden Inter­net-System-Vertrag vom 18.04.2007 einen weiteren Vertrag mit der Beklagten für die spezielle Dienstleistung »Online-Werbesystem Premium« gegen Zahlung einer zu­sätzlichen Vergütung von netto € 29,00 im Monat abzuschließen. Dieses Angebot hat die Klägerin spätestens durch ihre Unterschrift unter dem Vertragsdokument angenommen.

aa)
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrs­sitte dies erfordern. Bei der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien ist darauf abzustellen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Anzustreben ist ein Auslegungsergebnis, das die berechtigten Belange beider Parteien angemessen berück­sichtigt und mit den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs im Einklang steht (Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 133 Rn. 9 ff., 20 ff. m.w.N.; OLG München, Urteil vom 15.03.2011 - 9 U 4665/10, Juris, Rn. 25). Zwar ist das Vertragsformular mit »Internet-System-Vertrag« überschrieben. Auch entspricht die handschriftlich eingetragene Vertrags-Nr. [...] derjenigen des Internet-System-Vertrags vom 18.04.2007. Ferner ist eingangs des Vertragsformulars ausgeführt, dass das Partnerunternehmen -» hier die Klägerin - und die Beklagte einen Internet-System-Vertrag abschließen, der »inhaltlich dem ursprünglich mit der [...] unter der oben genannten Vertragsnummer abgeschlossenen Vertrag entspricht, jedoch wie folgt erweitert wird: (...)«. Schließlich wird am Ende des Vertragsformulars auf die Vertragsbedingungen des ursprünglich abgeschlossenen Inter­net-System-Vertrags Bezug genommen, die unverändert bleiben sollen, und es wird ein (neuer) Laufzeitbeginn genannt. Aus all dem kann indes nach Ansicht der Kammer vom insoweit maßgeblichen Horizont eines objektiven Erklärungsempfängers nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit geschlossen werden, dass - so das Ver­ständnis der Beklagten - mit dem Internet-System-Vertrag vom 06.12.2010 der ur­sprüngliche Vertrag vom 18.04.2010 komplett abgelöst und - ergänzt um die zusätz­lich zu vergütenden Werbeleistungen - unter Fortgeltung der »alten« Leistungen und Vertragsbedingungen einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit einer neuen, einheitlichen 36-monatigen Laufzeit neu begründet werden soll.

Das Vertragsformular stellt vielmehr nach seiner optischen Gestaltung eindeutig die Zusatzleistungen (Online-Werbung) in den Mittelpunkt des Betrachters. Lediglich im »Kleingedruckten« am Anfang und am Ende des Vertrags gibt es vereinzelte, wenn auch nicht eindeutige Anhaltspunkte, die auf eine derartige Absicht bzw. ein derarti­ges Verständnis des Verwenders des Vertragsformulars schließen lassen. An keiner Stelle im Vertragstext findet sich indes ein - unmissverständlicher - Hinweis darauf, dass mit dem Vertrag vom 06.12.2010 gleichzeitig ein neuer Inter­net-System-Vertrag, der - neben den neuen Werbeleistungen - zugleich die Leistun­gen des bereits bestehenden Internet-System-Vertragsbeinhaltet, mit neu beginnen­der, einheitlicher 36-monatiger Laufzeit begründet werden soll. Die Intransparenz des Vertragsformulars und damit des (Vertrags-) Angebots resultiert zusätzlich daraus, dass der Gegenstand des Ursprungsvertrags vom 06.12.2010, der nach dem Ver­ständnis der Beklagten zugleich zum (Bestand-) Teil des neuen Vertrags gemacht werden soll, nicht eindeutig im Vertragsformular genannt wird, sondern dies im Wesentlichen nur über die Verweisungsklausel (»Sämtliche übrigen Vertragsbedingungen bleiben unverändert.«) am Ende des Vertragsformulars, die pauschal auf den Inhalt des ursprünglich geschlossenen Internet-System-Vertrags und dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen Bezug nimmt, erfolgt, während das Augenmerk des potentiellen Vertragspartners - wie bereits dargelegt - durch die äußere (Formular-) Gestaltung auf die Zusatzleistungen gelenkt wird.

Es könnte vermutet werden, dass durch die unklare Gestaltung des Vertragsformu­lars die beabsichtigte Neubegründung eines Internet-System-Vertrags auch über die (Grund-) Leistungen des Ursprungsvertrags dem Kunden/Vertragspartner bewusst verschleiert werden sollte, um auf diese Weise stillschweigend faktisch eine »Ver­längerung« der Vertragsleistungen des Ausgangsvertrags um weitere 36 Monate zu erreichen mit der Konsequenz, dass sich der Vertragspartner vor Laufzeitende ein­seitig nur über den Weg einer für diesen »teuren« freien Kündigung gemäß § 649 Satz 1 BGB vom Vertrag lösen kann; insbesondere wenn man sich vergegenwärtigt-wie der Kammer aus anderen Verfahren mit der Beklagten bekannt ist -, dass diese sich im Falle einer freien Kündigung auf den ihr gemäß § 649 Satz 2 BGB dann zustehenden Vergütungsanspruch lediglich in einem im Verhältnis zum Gesamtwert des Vertrags verhältnismäßig geringen Umfang ersparte Aufrechnungen anrechnen lässt, wie sich auch an ihrer Endabrechnung vom 24.01.2012 (Anlage K 4, BI. 12 GA) erweist. Dort will sich die Beklagte auf den Gesamtvertragswert von € 7.829,01 ledig­lich ersparte Aufwendungen in Höhe von 96,00 anrechnen lassen und kommt so zu einem ihr vermeintlich gemäß § 649 Satz 2 BGB zustehenden Vergütungsanspruch von 7.650,10.

bb)
Bei der Auslegung des Vertragstexts zum »Internet-System-Vertrag mit Online-Werbesystem Premium« (Anlage K 2, BI. 10 GA) ist zu Gunsten der Klägerin im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Vertragsformular prima facie um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt mit der Folge, dass gemäß § 305c Abs. 2 BGB - diese Norm findet auch im Verkehr zwischen Unternehmern Anwendung (BGH, Urteil vom 29.09.1987 - VI ZR 70/87, Juris, Rn. 22) - Unklarheiten im Zweifel zu Lasten des Verwenders der formularmäßigen Erklärung gehen (vgl. dazu auch Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 133 Rn. 23), hier mithin der Beklagten. Bei dem Vertragsdokument vom 06.12.2010 handelt es sich dem äußeren Anschein nach um einen von der Beklagten verwendeten, vorformulierten Vertragstext, der damit die widerlegliche Vermutung (Beweis des ersten Anscheins) - die Beklagte hat insoweit nichts zur ihrer Entlastung vorgetragen - begründet, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 20.08.2009 - VII ZR 212/07, Juris, Rn. 42; Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 305 Rn. 23 m.w.N.). Der Inhalt dieses Formularvertrags erweist sich, jeden­falls soweit er den Neuabschluss eines Internet-System-Vertrags über die Grundleistungen und damit die faktische Verlängerung des Ursprungsvertrags betrifft, nach Wortlaut und Sinngehalt objektiv als mehrdeutig, und zwar nicht nur für den Außenstehenden, sondern auch für die beteiligten Verkehrskreise. Diese Mehrdeutigkeit lässt sich im Rahmen der objektiven Auslegung nicht beseitigen mit der Folge, dass die Unklarheitenregel des § 305c Satz 2 BGB eingreift, so dass sich der Vertrag vom 06.12.2010 lediglich auf die Zusatzleistungen bezieht und daneben der Ursprungsvertrag vom 18.04.2007 über die Grundleistungen mit selbstständiger Laufzeit fortbesteht.

cc)
Des Weiteren ist im Rahmen der Auslegung zu Gunsten der Klägerin die ebenfalls im Verhältnis zu Unternehmern anwendbare Regelung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu berücksichtigen. Danach kann sich eine zur Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen führende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders (auch) daraus ergeben, dass eine Bestimmung bzw. Klausel nicht klar und verständlich ist. Dieses Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Dabei gebieten Treu und Glauben ferner, dass die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 307 Rn. 21 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist das Transparenzgebot hier verletzt. Dem Vertragsformular Anlage K 2, BI. 10 GA) ist nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen, dass mit dem Abschluss des »Internet-System-Vertrags mit Online-Werbesystem Premium« vom 06.12.2010 der ursprüngliche Internet-System-Vertrag vom 18.04.2007 beendet und statt dessen - unter Ersetzung des alten - ein neuer Inter­net-System-Vertrag mit einem auch die ursprünglichen Leistungen erfassenden, er­weiterten Leistungsumfang und einer neuen 36-monatigen Laufzeit in Geltung ge­setzt werden soll. Insbesondere fehlt jeder deutliche Hinweis darauf, dass sich mit Abschluss dieses neuen Vertrags die Leistungen aus dem ursprünglichen Inter­net-System-Vertrag um weitere 36 Monate verlängern und somit eine Beendigung vor Laufzeitende nur im Wege einer freien Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB erreicht werden kann, mit der für die Klägerin nachteiligen Folge, dass die Beklagte als Auftragnehmerin gemäß § 649 Satz 2 BGB die vereinbarte Vergütung - unter An­rechnung ersparter Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Arbeitskraft Erlangten oder zu erwerben böswillig Unterlassenen - erhält.

b)
Da der Internet-System-Vertrag vom 18.04.2007 - wie soeben dargelegt - nicht durch den Internet-System-Vertrag vom 06.12.2010 ersetzt bzw. neubegründet worden ist, konnte dieser gemäß § 2 Abs. 2 Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten durch die Kündigung der Klägerin vom 14.11.2011 (Anlage K 6, Bl. 16 GA) zulässigerweise fristgerecht zum 18.04.2012 beendet werden.

II.

Die Klägerin hat aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 4 BGB) gegenüber der Beklagten ferner Anspruch auf Erstattung des nicht an­rechenbaren Teils der ihr durch die außergerichtliche Inanspruchnahme ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Sperrung ihrer Internetpräsenz im Januar 2012 entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 860,00, sich zu­sammensetzend aus 0,65 Geschäftsgebühren gemäß Nr. 2300 W RVG (1,4 Ge­schäftsgebühren - 0,75 Geschäftsgebühren) in Höhe von € 840,00 zuzüglich der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7001 VV RVG in Höhe von € 20,00 aus dem vom Landgericht Düsseldorf im Verfahren 16 0 26/12 festgesetzten Streitwert von € 75.000,00. Der Ansatz von 1,4 Geschäftsgebüh ren statt der Regelgebühr von 1,3 ist angesichts des dem Rechtsanwalt insoweit einzuräumenden Ermessensspielraums (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.02.2002 - 16 U 1/01, Juris, Rn. 76 ff. m.w.N.) nicht zu beanstanden.

Die Beklagte ist nach dem unbestrittenen gebliebenen Vortrag der Klägerin (§ 1383 BGB) nach der Sperrung der Internetpräsenz im Januar 2012 von der Klägerin vor der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe - vergeblich aufgefordert worden, diese wieder freizuschalten, so dass sie sie mit dieser Leistung in Verzug befand (§ 286 BGB). Die Klägerin hatte auch Anspruch auf die Freischaltung ihrer Internetpräsenz, weil die Beklagte wie soeben ausgeführt - nach dem Inhalt des erst mit Ablauf des 18.04.2012 endenden Internet-System-Vertrags noch verpflichtet war, die Internetpräsenz der Klägerin bis dahin auf ihren Servern zu hosten. Auch das Landgericht Düsseldorf hat die Beklagte im Verfahren 16 0 26/12 dementsprechend per einstweiliger Verfügung - ohne Teilabweisung - verpflichtet, die Erreichbarkeit der Internetpräsenz der Klägern bis zum 18.04.2012 sicherzustellen (Anlage K 5, Bl. 13 ff. GA).

Die Beklagte hat - unabhängig von ihrem Vortrag im nachgelassenen Schriftsatz vom 10.01.2013 (dort Seite 6 f., Bl. 67 f. GA), wonach sie die ihr von ihren Anwälten übermittelte Honorarnote vom 25.01.2012 (Anlage K 15) am 31.01.2012 auch aus­geglichen haben will - auch einen auf Zahlung der restlichen, vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 860,00 gerichteten Anspruch (§§ 249, 250 BGB) und nicht lediglich einen Anspruch auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit (§ 257 BGB). Der (ursprüngliche) Freistellungsanspruch ist gemäß § 250 Satz 2 BGB in ei­nen Zahlungsanspruch übergegangen, weil die Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat (BGH, Urteil vom 13.01.2004 - XI ZR 355/02, Juris, Rn. 16;

BGH, Urteil vom 26.01.2012 - VII ZR 154/10, Juris, Rn. 25 - jeweils m.w.N.). Die Beklagte hat nämlich in ihrer Klageerwiderung (dort Seite 5 f., BI. 43 f. GA) eine Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ausdrücklich und wiederholt in Abrede gestellt und damit deren Ausgleich ernsthaft und endgültig verweigert, so dass der Freistellungsanspruch ohne vorherige Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung in einen Zahlungsanspruch übergegangen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1, 2 ZPO.

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