Oberlandesgericht Köln
Urteil vom 30. September 2022, I-6 U 77/22
Streitwert: 92.000,00 €
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das auf die mündlichen Verhandlung vom 20.01.2022 hin ergangene und am 07.04.2022 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 160/19 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.335,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 11.02.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
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Dieses Urteil und das des Landgerichts, soweit es nicht abgeändert worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Die der Vollstreckung ausgesetzte Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die die Vollstreckung betreibende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die wegen Verletzung von Designrechten an einem Sofa im einstweiligen Verfügungsverfahren 33 O 354/16 LG Köln zu Unterlassung und Auskunftserteilung verpflichtet worden war und daraufhin eine Unterwerfungserklärung abgegeben sowie Auskunft über den Vertriebsweg ihres Verletzungsproduktes erteilt hat, auf Schadensersatz und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bezüglich der Richtigkeit der im vorliegenden Verfahren erteilten Auskünfte in Anspruch. Die Klägerin hat eine Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gewählt.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Köln Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zu den für die Berechnung der fiktiven Lizenzgebühr maßgeblichen Umsätzen und Nettoabgabepreisen der Beklagten als Verletzerin habe die Klägerin selbst nichts vorgetragen und die Angaben der Beklagten hierzu mit Nichtwissen bestritten. Insoweit fehle es an einer Grundlage für die Lizenzermittlung. Der geltend gemachte Anspruch auf Abgabe einer Versicherung an Eides Statt scheitere daran, dass die Klägerin keine auf Abgabe einer Auskunft gerichtete Stufenklage erhoben habe.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie rügt eine unvollständige Tatsachenfeststellung - das Landgericht hätte Beweis zu den von ihr vorgetragenen Grundlagen der Lizenzberechnung erheben müssen, soweit diese von der Beklagten bestritten worden seien - sowie eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Der ihr auch nach Ansicht des Landgerichts dem Grund nach zustehende Schadensersatz sei nicht zwingend anhand der Umsätze des Verletzers zu berechnen. Dieser Maßstab sei zuvorderst in solchen Fällen heranzuziehen, in denen der Verletzte üblicherweise Lizenzen erteile, was hier gerade nicht der Fall sei. Sie habe kein Interesse daran, Lizenzen für das erfolgreiche Sofamodell zu vergeben, die der Höhe nach an geringere Umsätze als die eigenen gekoppelt seien, und damit Gefahr zu laufen, den eigenen Umsatz zu vermindern sowie die eigene wirtschaftliche Position zu schwächen. Das Lizenzentgelt sei daher mit 5% ihres eigenen Umsatzes zu beziffern, was auch insoweit angemessen sei, als die am Abgabepreis des Verletzers orientierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zeitgemäß sei. Die Berechnung anhand ihres eigenen Umsatzes führe nicht nur zu einem angemessenen Ergebnis, sondern auch zu einer Herstellung der angemessenen Differenzierung zwischen dem pflichtbewussten Lizenznehmer und dem Verletzer, der sich fremde Rechte zu eigen mache, um hierdurch Gewinn zu erzielen. Die Umsätze der Beklagten seien daher für die Schadensberechnung ohne Belang. Im Übrigen hätte die Klage in keine Fall vollständig abgewiesen werden dürften. Es sei jedenfalls die Schätzung eines Mindestschadens möglich und geboten gewesen. Sie habe sich aufgrund des gerichtlichen Hinweises hilfsweise den Vortrag der Beklagten zu Eigen gemacht.
Ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestehe auch ohne vorherige Erhebung einer Stufenklage. Die von der Beklagten in den Schriftsätzen vom 05.01.2022 und 06.01.2022 gemachten Angaben seien widersprüchlich und offensichtlich korrekturbedürftig, mithin unvollständig und nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden. Bereits eine einmalige nachträgliche Berichtigung von gemachten Angaben rechtfertige in der Regel die Verurteilung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 20.01.2022 (Az.: 33 0 160/19) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 83.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Richtigkeit der in den Schriftsätzen vom 05. und 06. Januar 2022 erteilten Auskünfte eidesstattlich zu versichern und entsprechend eine eidesstattliche Versicherung durch ihren Geschäftsführer bei einer zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zuständigen Stelle abzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Die Akte 31 O 354/16 LG Köln lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 4.335,58 EUR. Die weitergehenden Ansprüche sind unbegründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bezüglich der Richtigkeit der Angaben in den Schriftsätzen vom 05.01.2022 und 06.01.2022 aus § 259 Abs. 2 BGB.
a. Die Klägerin wendet zwar zu Recht ein, dass eine Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB nicht nur im Zuge einer Stufenklage verlangt werden kann, ihr Begehren ist jedoch mangels des erforderlichen Rechtsschutzinteresses unzulässig. Es macht keinen Sinn, den Anspruch auf Abgabe einer eidesstattliche Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB, der der Vorbereitung und Bezifferung des Zahlungsanspruchs dient, gleichzeitig mit dem Zahlungsanspruch selbst geltend zu machen.
b. Darüber hinaus ist der Anspruch aber auch unbegründet.
aa. Es ist bereits unklar, ob die Schriftsätze vom 05.01.2022 und 06.01.2022 überhaupt eine Rechnungslegung i.S.d. § 259 Abs. 1 BGB enthalten.
In erster Instanz dürfte zwar unstreitig gewesen sein, dass die Beklagte mit ihren Schriftsätzen vom 05.01.2022 und 06.01.2022 Auskünfte erteilten wollte, die als Grundlage für die Berechnung des Schadens der Klägerin im vorliegenden Verfahren dienen sollten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 05.01.2022 erklärt, dass ihre bisherigen Angaben zum Umgang der Nutzung ihres Sofas in Deutschland unvollständig seien. Die Auskunft sei dahin zu korrigieren, dass von 309 in Polen bestellten Einheiten 138 direkt von Polen an einen gewerblichen Abnehmer in der Schweiz und 170 Einheiten an gewerbliche Abnehmer in Deutschland geliefert worden seien; eine Einheit habe sie als Ausstellungsstück behalten. Für die 170 in Deutschland ausgelieferten Einheiten habe sie einen Kaufpreis von insgesamt 86.701,00 EUR erhalten. Mit Schriftsatz vom 06.01.2022 hat die Beklagte die Auskunft im Schriftsatz vom 05.01.2022 geringfügig korrigiert und ausgeführt, dass sie für die 170 in Deutschland ausgelieferten Einheiten einen Kaufpreis von insgesamt 86.711,50 EUR erhalten habe. Der Schriftsatz vom 05.01.2022 knüpft inhaltlich u.a. an ein Schreiben der Beklagten vom 12.01.2017 an, das der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung aus der Beschlussverfügung diente.
Die Beklagte beruft sich in zweiter Instanz dagegen ausdrücklich darauf, dass der Auskunftstenor aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren sie nicht zur Rechnungslegung über Umsätze und Preise verpflichtet habe, dass die Klägerin auch anschließend keinen Anspruch auf entsprechende Rechnungslegung gerichtlich geltend gemacht habe, und dass ein Anspruch auf weitergehende Rechnungslegung aus § 46 Abs. 3 Nr. 2 DesignG in der Zwischenzeit verjährt sei. Gemäß § 49 DesignG, §§ 195, 199 BGB verjährt der Auskunftsanspruch in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erhalten hat. Die Verjährungsfrist hat daher hier Ende 2016 begonnen und ist Ende 2019 abgelaufen. Die Klage auf Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB hat die Klägerin erst im März 2022 erhoben. Sie käme daher, sollte in den zuvor erteilten Auskünften keine Rechnungslegung i.S.d. § 259 BGB zu sehen sein, zu spät. Angabe über die Einnahmen, auf die sich eine Versicherung nach § 259 Abs. 2 BGB bezieht, sind - erstmals - im Schriftsatz vom 05.01.2022 enthalten. Ob dieser eine Rechnungslegung i.S.d. § 259 BGB darstellt - d.h. eine geordnete Aufstellung aller Angaben, die die Klägerin benötigt, um sich für eine der Methoden zur Schadensberechnung zu entscheiden, die Schadenshöhe konkret nachzuberechnen und die Richtigkeit der Rechnung nachzuprüfen (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1985, X ZR 54/83 - Thermotransformator, juris, Tz. 20; BGH, Urteil vom 13.07.1973, I ZR 101/72 - Nebelscheinwerfer, juris, Tz. 11) - ist fraglich, insbesondere weil die Angaben äußerst knapp gehalten sind und jegliche Belege fehlen, aber auch insoweit, als der Schriftsatz nur Angaben enthält, die für eine Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie benötigt werden. Allerdings hat te die Klägerin sich zuvor für diese Schadensberechnungsart entschieden und erst im Anschluss an die Schriftsätze vom 05.01.2022 und 06.01.2022 ihren Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gestellt. Die Beklagte hatte daraufhin die Gründe für die Notwendigkeit der Korrektur im Schriftsatz vom 06.02.2022 erklärt und - nur - beantragt, den Antrag der Klägerin, soweit er sich uneingeschränkt auf die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Auskünfte im Schriftsatz vom 05.01.2022 beziehe, zurückzuweisen. Im Übrigen hatte sie ausgeführt, dass ihre Angaben richtig seien, also gerade nicht in Abrede gestellt, dass diese Grundlage für einen Anspruch nach § 259 Abs. 2 BGB sein könnten.
bb. Letztlich kann dahinstehen, ob die Beklagte mit den Schriftsätzen vom 05.01.2022 und 06.01.2022 Auskünfte über ihre Einnahmen i.S.d § 259 BGB erteilt hat. Es besteht jedenfalls kein Grund zu der Annahme, dass diese nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden sind (wobei bezüglich des Schriftsatzes vom 05.01.2022 eine Erklärung nach § 259 Abs. 2 BGB schon im Ansatz allenfalls insoweit verlangt werden könnte, als er inhaltlich nicht dem Schriftsatz vom 06.01.2022 widerspricht).
Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Erklärung begründen keinen Anspruch auf Abgabe der Versicherung, wenn sie - wie hier - auf einem entschuldbaren Irrtum beruhen (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl., § 259 Rn. 13, m.w.N.). Die Beklagte selbst hat bei Erteilung der Auskunft über ihre Einnahmen die erforderliche Sorgfalt walten lassen. Dies folgt daraus, dass sie die Unrichtigkeit bezüglich des im Schriftsatz vom 05.01.2022 angegebenen Gesamtbetrages sofort offengelegt und eine unverzügliche Korrektur veranlasst hat:
Der Grund für die minimale Korrektur war bereits im Schriftsatz vom 06.01.2022 ausgeführt worden, nämlich dass es sich zum einen um einen Übertragungsfehler des damaligen Rechtsanwalts K. gehandelt habe (errechnet worden seien 86.791,00 EUR und nicht 86.701.00 EUR) und dieser zum anderen eine Gutschrift von 79,50 EUR übersehen habe, die in Abzug zu bringen sei (86.791,00 EUR - 79,50 EUR = 86.711,50 EUR). Die Beklagte hat anschließend detailliert dargetan und durch anwaltliche Versicherung ihrer nunmehrigen Rechtsanwältin T. glaubhaft gemacht, dass sie, die Beklagte selbst, Rechtsanwalt K., der die Schriftsätze vom 05.01.2022 und 06.01.2022 unterzeichnet hatte, auf die fehlerhafte Angabe zur Höhe des Kaufpreises hingewiesen habe. Außerdem hat der Geschäftsführer der Beklagten die Richtigkeit der Angaben gemäß den Schriftsätzen vom 05.01.2022 (Verteilung der Einheiten) und 06.01.2022 (erhaltene Kaufpreise von insgesamt 86.711,50 EUR netto) durch eidesstattliche Versicherung vom 22.03.2022 bestätigt.
Nach alledem besteht keine Veranlassung für die Befürchtung, der angegebene Gesamtbetrag von 86.711,50 EUR könne aufgrund eines Sorgfaltsverstoßes seitens der Beklagten unrichtig sein. Dass es sich bei den 86.711,50 EUR um Netto-Einnahmen handelt, hat die Beklagte ausdrücklich klargestellt, was bei Lieferungen an gewerbliche Abnehmer aber auch auf der Hand liegt.
Aus der Abweichung der Angaben im Schriftsatz vom 12.01.2017 zu den in Deutschland verteilten Sofas (113 Sofas an die R. Handelsgesellschaft [X.], ein Sofa an die E. GmbH, ein Sofa im Lager bei der U. GmbH & Co. KG, ein Ausstellungsexemplar) gegenüber den Mengenangabe in den Schriftsätzen vom 05.01.2022 und 06.01.2022 (170 Einheiten in Deutschland ausgeliefert) kann zu Lasten der Beklagten nichts hergeleitet werden. Die Klägerin beruft sich auf diesen Aspekt auch nicht. Schwerpunkt der Auskunft vom 12.01.2017 waren die Lieferbeziehungen / Benennung der Lieferanten und Abnehmer. Dass die angegebenen Stückzahlen im Sinne einer abschließenden und verbindlichen Erklärung vollständig gewesen sein sollten, kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Jedenfalls enthält das Schreiben vom 12.01.2017 keine Angaben über die erzielten Preise und kann insoweit auch nicht in Widerspruch zu den Schriftsätzen vom 05.01.2022 und 06.01.2022 stehen.
2. Die Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg, als ein Mindestschadensersatzbetrag in Höhe von 4.335,58 EUR geschätzt werden kann.
Die Klägerin macht Schadensersatz gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 DesignG gelten. Danach kann der Anspruch auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des eingetragenen Designs eingeholt hätte.
a. Dass die Beklagte der Klägerin gegenüber dem Grunde nach gemäß § 42 Abs. 1 DesignG schadensersatzpflichtig ist, steht außer Streit.
b. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen keine Veranlassung besteht, ist bei der Berechnung bzw. Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr nach § 287 ZPO rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (BGH, Urteil vom 22.03.1990, I ZR 59/88 - Lizenzanalogie, juris, Tz. 12). Als Ausgangspunkt sind dabei grundsätzlich die Umsätze / Nettoabgabepreise des Verletzers heranzuziehen, und zwar gerade auch dann, wenn - wie hier - üblicherweise keine Lizenzen eingeräumt werden (s. BGH, Urteil vom 03.07.1974, I ZR 65/73 - Clarissa, juris, Tz. 20, 26; BGH, Urteil vom 06.03.1980, X ZR 49/78 - Tolbutamid, juris, Tz. 31; BGH, Urteil vom 17.06.1992, I ZR 107/90 - Tchibo/Rolex II, juris, Tz. 15, 30 ff., 41; Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, Designgesetz, 6. Aufl., § 42 Rn. 61; vgl. auch Hohlweck in Büscher, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl., § 9 Rn. 79 ff., 83; Köhler in KBF, UWG, 40. Aufl., § 9 Rn. 1.42 ff., 1.43).
aa. Die Klägerin wendet ein, eine solche Schätzgrundlage lasse unberücksichtigt, dass sie wirtschaftlich betrachtet kein Interesse an einer Lizensierung ihre Produkte und einer damit verbundenen Schwächung ihrer Wettbewerbsposition habe und eine Orientierung an dem von ihr erzielen Umsatz auch zu einer angemessenen Differenzierung zwischen dem pflichtbewussten Lizenznehmer und dem Verletzer, der sich fremde Rechte zu eigen mache, führe. Dem kann nicht beigetreten werden.
Die Methode der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser aber auch nicht schlechter dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (BGH, Urteil vom I ZR 107/90 - Tchibo / Rolex II, juris, Tz. 32). Sie entspricht dem Bereicherungsausgleich nach § 812 BGB und sieht keinen irgend gearteten Strafzuschlag vor (s. zuletzt z.B. noch BGH, Urteil vom 18.06.2020, I ZR 93/19, juris, Tz. 26). Dass die Klägerin ihre Produkte üblicherweise nicht lizensiert, schließt eine Schadensschätzung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie nicht aus, rechtfertigt aber auch keinen anderen Anknüpfungspunkt als den vom Verletzer erzielen Verkaufserlös. Maßgeblich ist der objektive Wert der angemaßten Benutzung. Die von der Beklagten erzielen Preise bilden eine zuverlässige, durch den tatsächlichen Verlauf und Umfang der Verletzungshandlungen nachgewiesene Grundlage. Bei Zugrundelegung der von der Klägerin erzielten Einnahmen bestünde dagegen eine erhebliche Ungewissheit, ob es der Beklagten überhaupt gelungen wäre, im Wettbewerb mit der Klägerin die Lizenzgebühren aus dem mit der Lizenz verbundenen wirtschaftlichen Ertrag zu decken. Tatsächlich war dies - ausgehend von dem von der Klägerin in Abhängigkeit zum eigenen Verkaufserlös von 1.670.000,00 EUR errechneten Lizenzbetrag von 83.500 EUR und den nach Angaben der Beklagten mit der Nachahmung erzielten Gesamteinnahmen von 86.711,50 EUR - nicht der Fall und erschien auch aus der ex-ante-Sicht vernünftiger Lizenzvertragsparteien in Kenntnis der gegebenen Sachlage nahezu ausgeschlossen. Kein wirtschaftlich denkender Lizenznehmer würde eine jeden zu erwartenden Gewinn aufzehrende Lizenz vereinbaren. Vernünftige Lizenzvertragsparteien hätten auch im vorliegenden Fall die Höhe der Lizenz nicht an den Umsätzen des bereits am Markt etablierten Lizenzgebers ausgerichtet, sondern am Absatz des Lizenznehmers unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere der Werthaltigkeit des Designs. Die Erteilung einer Lizenz ist auch für den Lizenzgeber grundsätzlich wirtschaftlich nicht uninteressant. Sie eröffnet z.B. die Chance auf weitere Produktionskapazitäten und Märkte. Dass die Klägerin durch eine Lizensierung des Sofas Umsatz- und Gewinneinbrüche erlitten hätte, die wirtschaftlich betrachtet das am Umsatz/Nettoabgabepreis der Beklagten orientierte fiktive Lizenzentgelt überstiegen hätten, kann nicht festgestellt werden. Die Vorstellung, dass jedes von der Beklagten verkaufte Sofa den Verkaufserfolg der Klägerin schmälert, entspricht nicht der Realität. Dagegen macht die Klägerin im Ergebnis einen weitaus höheren Betrag geltend, als ihr nach den Grundsätzen des Bereicherungsausgleichs zusteht. Sie vermischt in ihrer Argumentation die unterschiedlichen Grundgedanken der dreifachen Schadensberechnung (entgangener Gewinn, Gewinnabschöpfung oder Lizenzanalogie).
bb. Der Vorwurf einer unzureichenden Tatsachenfeststellung im Hinblick auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens geht fehl. Die Entscheidung darüber, ob der fiktive Lizenzbetrag sich am Umsatz der Klägerin ausrichtet oder den Nettoabgabepreisen der Beklagen, obliegt ebenso wie die Bemessung des angemessenen Prozentsatzes dem Gericht. Die (bestrittene) Höhe des Jahresumsatze der Klägerin müsste nur dann geklärt werden, wenn diese - wie nicht - als Bemessungsgrundlage heranzuziehen wäre.
Der Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, sie habe hinreichende Tatsachen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur angemessenen Lizenzermittlung dargetan, ist nicht nachvollziehbar. Die Klägerin hat weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren Tatsachen vorgetragen, aus denen als übliche Lizenzierungspraxis für den Bereich des Möbelhandels eine Orientierung am Umsatz des Lizenzgebers und/oder Mindest-Lizenzbeträge hergeleitet werden könnten.
In der Klageschrift hat die Klägerin schlicht behauptet, dass im Rahmen der Berechnung des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie davon auszugehen sei, dass die Parteien mindestens eine Jahreslizenz zu einem Pauschalbetrag in Höhe von 5 % des ihres bisherigen Erstjahresumsatzes vereinbart hätten, also 83.500 EUR. Im Schriftsatz vom 15.03.2021 hat die Klägerin dann zwar etwas konkreter aber nach wie vor ohne greifbare Tatsachen, die als Anknüpfungspunkt für ein Sachverständigengutachten dienen könnten, vorgetragen, dass sie bei ihrem Jahresumsatz vernünftigerweise keine Lizenz nach dem zukünftig von der Beklagten erzielten Umsatz erteilt hätte, weil sie sich dadurch Konkurrenz geschaffen hätte, die über niedrige Preise absetze und dadurch erstens ihren hohen Jahresumsatz gefährde und zweitens Lizenzen zahle, die den Ausfall nicht im Ansatz kompensiert hätten. Einen solchen Lizenzvertrag hätte sie nach der auf dem Markt des Absatzes mit Sofas geltenden Üblichkeit nicht abgeschlossen, während sie vielmehr den von ihr erzielten Jahresumsatz berücksichtigt hätte. Entsprechend hätte sie mindestens eine Mindestlizenz von 5 % auf den Jahresumsatz gefordert. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Vorstellungen der Klägerin bezüglich berechtigter Forderungen kommt nicht in Betracht. Woraus sich die Üblichkeit einer den Vorstellungen der Klägerin entsprechenden Lizensierungspraxis im Sofa-Markt ergeben soll, bleibt offen.
Soweit die Klägerin weiter vorgetragen hat, für die Lizenzgestaltung sei maßgeblich, ob der Lizenzgeber durch die Lizenzerteilung einen wirtschaftlichen Verlust z.B. hinsichtlich des Prestiges riskiere, was vorliegend in Bezug auf den Verlust erheblichen Umsatzes der Fall sei, so dass dieser Umstand zu den Umständen, gehöre, die gemäß der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 2006, 184, und Beck RS 2011, 15550) "auch bei freien Lizenzverhandlungen auf die Höhe die Vergütung Einfluss gehabt hätten", betrifft dies nicht die Frage der Anknüpfung an den Umsatz/Nettoverkaufserlös des Lizenzgebers oder -nehmers, sondern die Bemessung der Höhe der Lizenz als solche, also des Lizenzsatzes oder einer Pauschallizenz und/oder Stücklizenz. Soweit die Klägerin dann weiter meint, dass der mit dem Lizenzgegenstand bislang erzielte Umsatz für die Höhe der Lizenz wesentlich sei, so dass auch eine hier beanspruchte Mindestlizenz dem entspreche, was auf dem Markt des Vertriebs von Sofas üblich sei, bedarf es ebenfalls keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es bleibt unklar, aus welchen Tatsachen sich welche übliche Mindestlizenz ergeben soll.
In der Berufungsbegründung beschränkt sich die Klägerin erneut auf die unter Beweisantritt "Einholung eines Sachverständigengutachtens" gestellte schlichte Behauptung, ihre eigenen Umsätze seien als Grundlage der Bemessung der fiktiven Lizenz heranzuziehen.
c. Die Höhe der marktüblichen (fiktiven) Lizenz kann gemäß der Berechnung der Klägerin mit 5 % in Ansatz gebracht werden. Im Designrecht bewegen sich die marktüblichen Lizenzgebühren in der Regel zwischen 5 % und 10 % (s. Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, Designgesetz, 6. Aufl., § 42 Rn. 62). Der Senat hat für einen hochwertigen Designtisch als ein "Prestigeprodukt" 6 % als unterste Grenze angesehen (Urteil vom 26.04.2013, 6 U 171/11 - Bigfoot II, juris, Tz. 71). Vorliegend geht es um ein einfaches Sofa, das kein besonderes Renommee für sich in Anspruch nehmen kann. Es hat mit einem (bestrittenen) Jahresumsatz von 1,67 Mio. EUR nach seiner Erstauslieferung im Januar 2016 zwar einen guten Umsatz erreicht, dass dieser in der Polstermöbel-Branche außergewöhnlich hoch war, ist jedoch weder von der Klägerin nachvollziehbar dargetan noch sonst ersichtlich. Mithin ist davon auszugehen, dass sich der Verkehrswert des verletzten Ausschlussrechts im durchschnittlichen Bereich bewegt. Soweit ein erheblicher Aufschlag auf die Lizenzgebühren gerechtfertigt sein kann, wenn die rechtsverletzenden Erzeugnisse nicht dem Qualitätsniveau von designgemäßen Erzeugnissen entsprechen (s. Eichmann/Jestaedt in Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser, Designgesetz, 6. Aufl., § 42 Rn. 59), fehlt für eine solche Annahme jeglicher Tatsachenvortrag seitens der Klägerin. Auch dass die Beklagte das durch das eingetragene Design geschützte Sofa der Klägerin nahezu identisch nachgebildet hat, rechtfertigt keinen Zuschlag auf die übliche Lizenz. Es ist nicht feststellbar, dass sie damit einen Marktverwirrungsschaden und/oder Diskreditierungsschaden ausgelöst hat.
d. Die für die Höhe ihres Anspruchs darlegungs- und beweispflichtige Klägerin hat für höhere Einnahmen als die von der Beklagen angegebenen nichts dargetan. Ihrem Einwand, sie habe nur sehr beschränkte Möglichkeiten, zu den Umsätzen der Beklagten selbst vorzutragen, ist entgegenzuhalten, dass sie (auch) hierzu eine den Schadensersatzanspruch vorbereitende Auskunftsklage hätte erheben können.
Die Klägerin hat sich im Berufungsverfahren ausdrücklich im Wege eines zulässigen äquipollenten Parteivorbringens hilfsweise auf die von der Beklagten vorgetragenen Umsätze für die Schätzung eines Mindestschadens berufen. Dies entspricht ihrem Vortrag bereits in erster Instanz. Dass die Klägerin die Zahlen der Beklagten nach wie vor mit Nichtwissen bestreitet, steht der Schätzung eines Mindestschadens nicht entgegen. Die Klägerin bestreitet nicht, dass die Beklagte die angegebenen Beträge mindestens erreicht hat; sie beruft sich vielmehr auf höhere Zahlen.
Ausgehend von den Angaben der Beklagten kann ein Mindestschaden in Höhe von 4.335,58 EUR (5 % des Nettoabgabepreises von insgesamt 86.711,50 EUR) geschätzt werden.
f. Der Vortrag der Beklagten zum Inhalt der Gespräche zwischen Herrn B., Sohn des Geschäftsführers der Klägerin und Leiter der Abteilung Verkauf und Vertrieb, sowie Herrn C., Einkäufer der Fa. R. Handelsgesellschaft im Bereich Polstermöbel, ist nicht geeignet, von einer Verzichts-Vereinbarung im Verhältnis Klägerin / Beklagte auszugehen.
Die Beklagte trägt vor, dass sie nach Zustellung der Beschlussverfügung die Waren sofort zurückgerufen habe. Ihr Geschäftsführer, Herr S., habe Herrn A. als seinen Ansprechpartner bei der Fa. R. Handelsgesellschaft (X.-Möbelhäuser) angerufen und mit diesem über den Rückruf gesprochen. Herr A. habe angekündigt, die Sache mit der Klägerin zu klären. Daher habe Herr C. von der R. Handelsgesellschaft Herrn B. als seinen Ansprechpartner bei der Klägerin angerufen. Herr C. habe Herrn B. vorgeschlagen, dass die R. Handelsgesellschaft (nur) die ausgelieferten Sofas abverkaufe. Dem habe Herr B. zugestimmt. Herr C. habe dies Herrn A. mitgeteilt, der seinerseits ihren, der Beklagten, Geschäftsführer Herrn S. informiert habe. Der von der Klägerin im Nachgang des Verfügungsverfahrens gestellte Ordnungsmittelantrag sei daraufhin zurückgenommen worden. Tatsächlich hat die Klägerin den Ordnungsmittelantrag vor Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen B., C. und A. zurückgenommen, allerdings ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, sondern nur, weil sie sich nach der Abschlusserklärung der Beklagten auf den Schadensersatzprozess fokussieren wolle. Dass die Herren B., C. und A. einen Vertrag zu Gunsten der Beklagten geschlossen haben mit dem Inhalt, dass diese den Kaufpreis für die abzuverkaufende Ware behalten soll, ohne die Klägerin an diesem Gewinn über eine Lizenzabgabe zu beteiligen, ergibt sich daraus nicht, auch nicht aus den Angaben der Beklagten zu den Gesprächsinhalten.
3. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 92.000 EUR (83.500 EUR Zahlungsantrag, 8.500 EUR Versicherung an Eides statt)