Instanzen: LG Düsseldorf, Urt. v. 02.02.05, 34 O 206/04 Q; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.08.05, 20 W 50/05
34 0 206/04 Q - Urteil vom 2. Februar 2005
LANDGERICHT DÜSSELDORF
NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
[...]
hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Butz sowie die Handelsrichter Koster und Dr. Monßen
für Recht erkannt:
Die einstweilige Verfügung vom 18. Oktober 2004 wird bezüglich Ziff. III dahingehend geändert, dass die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt werden.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist 1997 gegründet und in das Handelsregister beim Amtsgericht Coesfeld eingetragen worden. Sie beschäftigt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Wintergärten und Vordächern aus Aluminium. Die Antragstellerin vertreibt ihre Produkte bundesweit. Sie bietet ihre Produkte und Leistungen im Internet unter der Domain »[...].de« an.
Der Antragsgegner war bis Ende April 2004 Mitarbeiter der Antragstellerin. Die Antragstellerin beauftragte den Antragsgegner im Oktober 2003 damit, für die Antragstellerin die Domain »[...].com« registrieren zu lassen. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses steifte die Antragstellerin im Oktober 2004 fest, dass der Antragsgegner mit der vorgenannten Domain »[...].com« den Internetauftritt einer Wettbewerberin der Antragstellerin, der Firma [...] GmbH, ermöglichte und dass die Domain »[...].com« von dem Antragsgegner weisungswidrig auf seinen eigenen Namen registriert worden war.
Auf Antrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner daraufhin im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 18. Oktober 2004 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden, die Rechte an der Internet-Domain »[...].com« auf einen Dritten zu übertragen. In diesem Beschluss vom 18. Oktober 2004 sind unter Ziff. III. die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt worden.
Der Antragsgegner hat gegen die vorgenannte einstweilige Verfügung Kostenwiderspruch eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt,
den Kostenwiderspruch des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsgegner beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 18. Oktober 2004 bezüglich Ziff. III dahingehend zu ändern, dass der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.
Der Antragsgegner begründet seinen Kostenwiderspruch damit, dass die Antragstellerin vor Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens unstreitig den Antragsgegner nicht abgemahnt hat. Er ist der Ansicht, eine derartige Abmahnung sei vorliegend auch nicht entbehrlich gewesen.
Die Antragstellerin meint hingegen, eine vorausgehende Abmahnung sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich und für sie unzumutbar gewesen. Bei einer vorherigen Abmahnung sei nämlich zu befürchten gewesen, dass der Antragsgegner in der Zeit zwischen dem Zugang der Abmahnung und der Zustellung einer dann etwa erforderlichen einstweiligen Verfügung die Domain auf einen Domain-Inhaber (oder Strohmann) mit Wohnsitz im Ausland übertragen hätte und damit die Antragstellerin auch im Nachhinein keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, eine entsprechende Übertragung der Rechte an der verfahrensgegenständlichen Internet-Domain auf einen Dritten zu verhindern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Kostenwiderspruch des Antragsgegners ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Kostenentscheidung in Ziff. III. der einstweiligen Verfügung vom 18. Oktober 2004 wird dahingehend geändert, dass die Kosten des Verfahrens - einschließlich der weiteren Kosten des Verfahrens - der Antragstellerin auferlegt werden.
Wie allgemein anerkannt ist, steht die Beschränkung des Widerspruchs auf die Kosten einem Anerkenntnis in der mündlichen Verhandlung unter Protest gegen die Kostenlast gleich, so dass die Kosten grundsätzlich dem Antragsgegner aufzuerlegen sind, ohne dass die materielle Rechtslage noch zu prüfen ist. Nur unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO, also z.B. bei fehlender Abmahnung, sind die Kosten analog § 93 ZPO dem Antragsteller - hier also der Antragstellerin - aufzuerlegen. Von diesen Grundsätzen ausgehend hat vorliegend die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, da die Antragstellerin unstreitig vor Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens den Antragsgegner nicht abgemahnt hat.
Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn, wie die Antragstellerin meint, im vorliegenden Fall eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. In diesem Zusammenhang ist von der ständigen Rechtsprechung der Kammer sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 18.05.1995 - 2 W 38/95 OLG Düsseldorf - OLG Düsseldorf WRP 1982,317) sowie von anderen Oberlandesgerichten (vgl. etwa OLG Karlsruhe WRP 1981, 542, 543; OLG Nürnberg WRP 1981, 342, 343; OLG Koblenz WRP 1978, 664/665) auszugehen, wonach in Wettbewerbssachen grundsätzlich eine vorprozessuale Abmahnung des Verletzers durch den jeweiligen Antragsteller zu verlangen ist, wenn dieser der Gefahr einer Kostenentscheidung nach § 93 ZPO im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses oder eines diesem Anerkenntnis vergleichbaren Einlenkens im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entgehen will. Wie die Mitglieder der Kammer aus jahrelanger Befassung aus Wettbewerbssachen wissen, ist die nach Inhalt und Form die Tatsachen des Wettbewerbs Verstoßes mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringende Abmahnung nämlich regelmäßig geeignet, dass berechtigte Unterlassungsbegehren eines Antragstellers vorprozessual zu erledigen. Anders wie bei Forderungen aus Vertragsverhältnissen, bei denen der Eintritt der Fälligkeit, der beiden Parteien bekannt ist, auf die aktuelle Leistungspflicht hinweist, kann demnach bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Schuldner allein durch das Unterlassen der Leistung, also durch sein wettbewerbswidriges Verhalten, Anlass zu einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs gibt. Ob eine solche Veranlassung gegeben war oder ist, lässt sich vielmehr mit einiger Sicherheit und regelmäßig erst aus der Reaktion des Schuldners auf die Abmahnung ablesen. Dies macht es erforderlich, dem Antragsteller im Hinblick auf die Regelung des § 93 ZPO eine grundsätzliche Pflicht zuzumuten, den Verletzer abzumahnen, bevor er gerichtliche Schritte ergreift. Die Frage, die ein potentieller Antragsteller sich stellen muss, wenn er einen Wettbewerbsverstoß feststellt, darf also nicht sein, ob er abmahnen müsse; sie kann vielmehr in jedem Einzelfall immer nur lauten, ob besondere Umstände vorliegen, die eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich lassen sein könnten.
Wie jede Regel kann nämlich auch der im Hinblick auf § 93 ZPO aufgestellte Grundsatz der Abmahnpflicht nicht ausnahmslos Geltung beanspruchen. Bei der Feststellung von Ausnahmen ist jedoch - um das auch einem praktischen Bedürfnis der werbenden Wirtschaft entgegenkommenden Prinzip nicht auszuhöhlen - große Zurückhaltung geboten (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
So kann selbst bei einem feststehenden vorsätzlichen Verstoß gegen die Regel des lauteren Wettbewerbs, von dem die Antragstellerin vorliegend ausgeht, nicht damit argumentiert werden - wie die Antragstellerin meint - eine vorherige Abmahnung habe von vornherein als aussichtslos erscheinen müssen. Denn die Erfahrung lehrt, dass auch der vorsätzlich handelnde Verletzer, also derjenige, der sowohl weiß, was er tut, als auch weiß, dass er hierzu nicht berechtigt ist und durch seine Handlung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, in aller Regel eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, wenn er durch eine außergerichtliche Abmahnung mit entsprechendem Nachdruck darauf hingewiesen wird, dass er mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung rechnen müsse, falls er sich nicht unterwirft (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., OLG Oldenburg WRP 191, 193 = GRUR 1991, 548 - vorsätzlicher Wettbewerbsverstoß).
Eine entsprechende Ausnahme ist vorliegend auch nicht - wie die Antragstellerin meint - im Hinblick darauf gegeben, dass der Antragsgegner bei einer vorherigen Abmahnung die verfahrensgegenständliche Internet-Domain auf eine Person im Ausland hätte übertragen können. Zunächst einmal hat die Antragstellerin für eine derartige konkrete Gefahr bezogen auf die Person des Antragsgegners nichts im Einzelnen hinreichend substantiiert vorgetragen oder gar dafür Beweis angetreten. Vielmehr spricht die Tatsache, dass der Antragsgegner unstreitig bereits vor Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 18. Oktober 2004 an ihn die verfahrensgegenständliche Domain »[...].com« gekündigt hat, gegen eine derartige Gefahr.
Nach alledem sind die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Dr. Butz Koster Dr. Monßen