AG Düsseldorf, Urt. v. 28.12.10, 36 C 14023/09 - Internet-System-Vertrag

eigenesache Bei einem »Internet-System-Vertrag«, der die Gestaltung einer Internetpräsenz zum Gegenstand hat, handelt es sich um einen Werkvertrag, sodass eine Kündigung nach § 649 S. 1 BGB möglich ist. Will der Unternehmer in diesem Fall einen Vergütungsanspruch nach § 649 S. 2 BGB geltend machen, hat er darzulegen und nachzuweisen, welche Aufwendungen ihm zum Zeitpunkt der Kündigung (bereits) entstanden waren.

Streitwert: bis zum 07.12.2009: 1.857,71 €, seit dem 7.12.2009: 3.092,81 €

nrw

AMTSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Entscheidung vom 28. Dezember 2010
Aktenzeichen: 36 C 14023/09

In dem Rechtsstreit

[...]

hat das Amtsgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2010 durch den Richter Wilden

für Recht erkannt:

Das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 12.1.2010, Az. 36 C 14023/09 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin hat das Gericht gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem sog. »Internet-System-Vertrag« geltend.

Die Parteien schlossen am 2.12.2008 einen »Internet-System-Vertrag« des Typs »[...] Classic«. Nach der vertraglichen Leistungsbeschreibung schuldete die Klägerin dem Beklagten die Beratung und Zusammenstellung einer Webdokumentation, die Gestaltung und Programmierung einer individuellen lnternetpräsenz sowie das Hosting von Webseiten und Mailboxen auf den Servern der Klägerin. Neben den Anschlusskosten von 199,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer, die bei Vertragsschluss zahlbar waren, hatte der Beklagte für die vereinbarte Vertragslaufzeit von insgesamt 48. Monaten ein Entgelt von monatlich 100,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Hinsichtlich der Zahlung des Entgelts sieht § Abs. 1 der im Vertrag in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin eine jährliche Vorauszahlungspflicht der Beklagten vor. Außerdem bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen:

»Während der umseitigen Laufzeit ist der Vertrag aus wichtigem Grund bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kündbar.«

Der Beklagte leistete keine Zahlungen, sondern erklärte mit Schreiben vom 13.12.2008, dass er den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag kündige. Mit Schriftsatz vorn 18.11.2010 kündigte er durch seinen Prozessbevollmächtigten den Vertrag nach § 649 S. 1 BGB.

Mit der Klage macht die Klägerin die Anschlussgebühren sowie die das monatliche Entgelt für die ersten beiden Vertragsjahre geltend.

Sie hat ursprünglich im Urkundsprozess beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag von € 3.092,81 zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.664,81 seit dem 2.1.2009 sowie aus einem Betrag von € 1428 seit dem 3.12.2009 zu zahlen.

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von € 192,90 nebst [der Rest des Satzes fehlt im Urteil versehentlich: Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligeen Basiszinssatz seit dem 19.6.1009 zu zahlen.]

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Vorbehalts-Anerkenntnisurteil vom 12.1.2010 hat das Amtsgericht Düsseldorf den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

unter Aufhebung des Vorbehalts-Anerkenntnisurteils des Amtsgerichts Düsseldorf vom 12.1.2010 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Vorbehalts-Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 12.1.2010 für vorbehaltlos zu erklären.

Der Beklagte trägt vor: Infolge der von ihr ausgesprochenen Kündigung habe die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch gemäß § 631 Abs. 1 BGB zu.

Der zwischen den Parteien bestehende Internet-System-Vertrag ist wirksam gekündigt worden. Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag zustande gekommen (BGH NJW 2010, 1449). Aufgrund der rechtlichen Qualifizierung als Werkvertrag steht dem Beklagten grundsätzlich das Recht zur freien Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB zu. Von diesem Kündigungsrecht hat der Beklagte jedenfalls durch den Ausspruch der Kündigung im Schriftsatz vom 18.11.2010 Gebrauch gemacht. Ob die mit Schreiben vom 13.12.2008 erklärte Kündigung wirksam war oder in eine Kündigung nach § 649 S. 1 BGB umgedeutet werden kann, kann insoweit dahinstehen.

Aus dem vorbezeichneten Urteil des Bundesgerichtshofes ergibt sich nicht, ob bei einem Internet-System-Vertrag wie den vorliegenden mit fester Vertragslaufzeit eine Kündigung gemäß § 649 BGB möglich ist. Lediglich am Rande erwähnt der BGH die Möglichkeit, den Vertrag gemäß § 314 BGB zu kündigen. Diese Möglichkeit steht nach allgemeiner Meinung neben der Möglichkeit der Kündigung nach § 649 BGB (LG Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2010, 22 S 282/09). Insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen beider Kündigungstatbestände kann aus dem Umstand, dass der BGH weitere. Feststellungen des Berufungsgerichts er notwendig erachtete, nicht geschlossen werden, dass er von einer Unanwendbarkeit des § 649 BGB ausgegangen ist (aaO) sr.

Das Recht zur freien Kündigung ist nicht durch § 2 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen worden. Zwar beabsichtigt § 2 Abs. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen derartigen Ausschluss. Dieser Ausschluss ist jedoch gern. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil er mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist und den Vertragspartner der Klägerin unangemessen benachteiligt. Das Gericht schließt sich diesbezüglich der zutreffenden Auffassung des Landgerichts Düsseldorf in seinem Urteil vom 25.06.2010,. 22 S 282/09, an. Insbesondere bei längerfristigen Verträgen kann § 649 Satz 1 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht bzw. allenfalls aus gewichtigen Gründen abbedungen werden (Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 68, Auflage, § 649, Rn. 17). Derart schwerwiegende Gründe auf Seiten der Klägerin sind nicht erkennbar. Zwar ist der Klägerin unter Verweis auf das oben zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs zuzustimmen, dass sie berechtigte Entgelt- bzw. Kosteninteresse verfolgt und somit die Vorleistungspflicht wirksam ist, weil die Klägerin einen wesentlichen Teil der zu erbringenden Leistungen bereits zu Vertragsbeginn erbringt. Dieses bloße Entgelt- bzw. Kosteninteresse der Klägerin kann jedoch keinen berechtigten Grund darstellen, die Kündigung.gem. § 649 BGB abzubedingen, denn § 649 BGB wahrt dieses Interesse des Auftragnehmers. Die Klägerin behält nämlich ihren Anspruch auf die Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, berechnet nach der vollen Vertragslaufzeit. Einzig »nachteilig« ist für die Klägerin, dass sie nunmehr gehalten ist, schlüssig einen Anspruch nach § 649 S. 2 BGB darzulegen. Gelingt ihr dies, steht sie genau so dar, wie sie stehen würde, wenn der Vertrag über die gesamte Vertragslaufzeit durchgeführt worden wäre.

Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie nicht der Schriftform des § 2 Abs. 1 Satz 2 der AGB der Klägerin entspricht, da sich das Schriftformerfordernis erkennbar auf die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der AGB bezieht, die hier jedoch nicht erklärt wurde.

Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB nicht schlüssig dargelegt. In der mündlichen Verhandlung vorn 23.11.2010 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Vergütungsanspruch aus § 649 Satz 2 BGB bisher nicht schlüssig dargelegt worden ist. Insoweit besteht der Vergütungsanspruch nur fort, soweit der Unternehmer infolge der Aufhebung des Vertrages keine Aufwendungen erspart hat und er nicht durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Zwar trifft den Auftraggeber grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für entsprechende Abzüge. Der Unternehmer hat jedoch zunächst die erbrachten und die nicht erbrachten Leistungen voneinander abzugrenzen und getrennt voneinander abzurechnen. Bei letzterem sind ersparte Aufwendungen und anderweitiger Erwerb in Abzug zu bringen. Für diese Abrechnung einschließlich der Abzüge bei den nicht erbrachten Leistungen hat der Unternehmer schlüssig und auf den konkreten Vertrag bezogen vorzutragen, und zwar so ausführlich, dass dem Auftraggeber eine Überprüfung und Wahrung seiner Rechte möglich ist. Auf diesen Hinweis hat die Klägerin trotz gewährter' Schriftsatzfrist bis zum 7.12.2010 ihren Vortrag nicht substantiiert ergänzt. Soweit im Schriftsatz vom 7.12.2010 vorgetragen wurde, dass sich die Vertragskosten der Klägerin bereits infolge des Abschlusses des Vertrages auf € 2.152 belaufen, ist dieser Vortrag nicht dazu geeignet, der sekundären Darlegungslast zu genügen. Es ist nicht erkennbar, wie und wofür diese Kosten entstehen. Dem Beklagten ist es nicht möglich, dem Vortrag der Klägerin entgegenzutreten, wenn diese pauschal behauptet, € 1.941 Vertriebskosten zu haben sowie weitere Kosten für die Bonitätsprüfung, EDV-Erfassung und Verwaltung in Höhe von € 211. Welche Tätigkeit von der Klägerin konkret ausgeführt wird und wie die Höhe der behaupteten Aufwendungen zustande kommen, ist nicht nachvollziehbar.

Mangels Hauptsacheanspruch besteht auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Wilden

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