LG Potsdam, Urt. v. 07.12.09, 8 O 458/08 - gewinn.de II

eigenesache Stellt ein Domaininhaber fest, dass nicht mehr er, sondern ein anderer fälschlich als Domaininhaber in der WHOIS-Datenbank der DENIC e.G. eingetragen ist, kann er von dem eingetragenen Domaininhaber Einwilligung in die Umschreibung der Daten verlangen.

Streitwert: 25.000 €

Instanzen: LG Potsdam, Urt. v. 07.12.09, 8 O 458/08; OLG Brandenburg, Urt. v. 15.09.10, 3 U 164/09BGH, Urt. v. 18.01.12, I ZR 187/10

brandenburg

LANDGERICHT POTSDAM
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 8 O 458/08
Entscheidung vom 7. Dezember 2009

In dem Rechtsstreit

[...]

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam auf die mündliche Verhandlung vom 26.10.2009 durch den Richter am Landgericht Meyer als Einzelrichter

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, in die Änderung der WHOIS-Datenbank der DENIC e. G., Kaiserstraße 75-77, 60329 Frankfurt, dahingehend einzuwilligen, dass als Inhaber und administrativer Ansprechpartner (admin-c) der Domain »gewinn.de« der Kläger eingetragen wird.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 27.000,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zustimmung zur Änderung einer Domain-Eintragung in der WHOIS-Datenbank der DENIC e.G., und zwar dahingehend, dass der Kläger als Inhaber der Domain eingetragen werden soll.

Vom 06.08.1996 bis zum 02.06.2005 war als Inhaber der Domain »gewinn.de« in der WHOIS-Datenbank der DENIC e. G. die Firma »[...]« mit den Kontaktdaten Postfach [...], [...] Merzig registriert. Seit dem 02.06.2005 wechselten die in der WHOIS-Datenbank eingetragenen Domaininhaber mehrfach. Auch der eingetragene Provider wechselte.

Am 03.02.2006 schloss die Beklagte auf der Domain-Handelsplattform Sedo einen Kaufvertrag über die streitgegenständliche Domain. Am 15.02.2006 wurde die Beklagte als Domaininhaberin in der WHOIS-Datenbank als Inhaberin der streitgegenständlichen Domain registriert und wird bis zum jetzigen Zeitpunkt dort aufgeführt. Der Kläger forderte die Beklagte auf, die Domain »gewinn.de« aufzugeben und der Umschreibung zuzustimmen. Dies lehnt die Beklagte bis zum heutigen Zeitpunkt ab.

Der Kläger behauptet:

Zum Zeitpunkt des 06.08.1996 habe er als Unternehmenskennzeichen den Begriff »[...]« verwandt und zwar auch auf seinem Briefpapier. Neben seiner Privatadresse habe der Kläger im Jahre 1996 auch das Postfach [...], [...] Merzig unterhalten. Er sei nach wie vor Vertragspartner der DENIC. Der Registrierungsvertrag sei von keiner Seite gekündigt worden. Der Kläger habe auch für die Domain nie einen anderen Provider beauftragt als die [...] mbH (heute: [...] GmbH).

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, in die Änderung der WHOIS-Datenbank der Denic e. G., Kaiserstraße 75 - 77, 60329 Frankfurt, dahingehend einzuwilligen, dass als Inhaber und administrativer Ansprechpartner (admin-c) der Domain »gewinn.de« der Kläger eingetragen wird.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

1. festzustellen, dass der Kläger als Vertragspartner der Denic e. G. Inhaber der Domain »gewinn.de« ist.

2. Äußerst hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte nicht Inhaberin der Domain »gewinn.de« ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger unter der Bezeichnung »[...]« im geschäftlichen Verkehr aufgetreten ist.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat gem. dem am 21.08.2009 verkündeten Beweisbeschluss (Blätter 79/80 der Akte) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Daniela [...] und Detlef [...]. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 26.10.2009 (Blätter 90-94 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.

1. Da der Domaininhaber lediglich ein Nutzungsrecht erwirbt, ist kein Eigentum im Sinne der vorgenannten Vorschriften anzunehmen. Allerdings liegt hier ein sonstiges Recht des Klägers im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB vor. Hierunter sind alle Rechte zu verstehen, die denselben rechtlichen Charakter die das Eigentum aufweisen, insbesondere über Ausschließlichkeitscharakter verfügen (vgl. Palandt/Sprau, BGB 68. Auflage 2009, § 823 Rn. 11).

Dies ist bei einer Domain zu bejahen, da dass Nutzungsrecht einen rechtlich geschützten Vermögenswert darstellt, welcher dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie Eigentum an einer Sache (vgl. BVerfG, 1BvR 1306/02, Beschluss vom 24.11.2004). Insofern findet ein Schutz durch § 823 Abs. 1 BGB und § 1004 Abs. 1 BGB in analoger Anwendung statt.

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist erwiesen, dass der Kläger unter der Firmenbezeichnung »[...]« im Jahre 1996 gehandelt hat und das die Domain somit von ihm angemeldet worden ist. Dies haben übereinstimmend die beiden Zeugen [...] und [...] bekundet. Die Aussagen der Zeugen sind widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die Zeugenaussagen illustrieren auch, für welche Tätigkeiten der Kläger diese Internetpräsenz benötigte. Der Zeuge Detlef [...] erklärte zudem, was der Kläger seinerzeit mit dem Namen »[...]« verbunden hat und weswegen er ihn gewählt hat. Beide Zeugen bestätigen, dass unter diesem Namen u. a. eine Geschäftsverbindung zur Firma Musterhaus-Küchen bestand. Auch die Existenz des Postfachs [...] in Merzig wird von beiden Zeugen bestätigt. Der Zeuge [...] brachte auch eine Visitenkarte des Klägers mit, die nach seinem Bekunden aus dem Jahre 1996 stammt und die er aufgehoben hatte. Die Richtigkeit der Zeugenaussagen wird indirekt auch durch die als Anlage K1 (Blätter 7 ff.) eingereichte History der DENIC e. G. bestätigt, aus der hervorgeht, dass die [...] in Merzig ansässig ist. Dies ist jedenfalls der Wohnort des Klägers.
Der Kläger hat im Übrigen im Termin eine Rechnung der [...] GmbH vom 27.11.1997 und 17.10.1996 vorgelegt, welche sich auf die Reservierung von verschiedenen Domains bezieht, darunter auch die Domain »gewinn.de«. Diese Firma war unter der Bezeichung [...] hinsichtlich der Domain »gewinn.de«, was sich aus der als Anlage K1 vorgelegten History der Domain ergibt. Im Ergebnis hat der Kläger die Beweisfragen des Beweisbeschlusses vom 21.08.2009 bewiesen. Das Recht an der Domain ist also zugunsten des Klägers entstanden.

3. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass der Kläger diese Rechtsposition als an der Domain »gewinn.de« verloren hat.

a)  Ein Verlust ist nicht eingetreten dadurch, dass der Kläger seit dem 02.06.2005 nicht mehr in der WHOIS-Datenbank unter der Bezeichnung »[...]« eingetragen ist. Die Eintragung in der WHOIS-Datenbank hat lediglich deklaratorische, nicht jedoch eine konstitutive Wirkung (vgl. Hombrecher, MMR 2005, 647, 648). Der Kläger ist demnach weiterhin materiell Berechtigter.

b) Ein Verlust durch Rechtsgeschäft ist von der Beklagten nicht dargelegt worden. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Kläger oder die DENIC den zwischen ihnen bestehenden Vertrag gekündigt hätten oder eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Inhaberschaft durch den Kläger stattgefunden hätte. Solches behauptet die Beklagte nicht. Da sie für einen Verlust der einmal entstandenen Rechtsstellung des Kläger beweispflichtig ist, geht dies zu ihren Lasten.

c)  Ein Verlust der Inhaberschaft an der Domain ist auch nicht durch den Kaufvertrag, den die Beklagte über die Handelsplattform Sedo abgeschlossen - hat, eingetreten. Aus der Zahlungsaufforderung vom 03.02.2006 (Anlage B4, Blätter 46-48 der Akte) geht nicht hervor von wem die Beklagte eine Domain erworben haben will. Im Übrigen ist aus dieser Zahlungsaufforderung auch nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um die Domain »gewinn.de« handelt. Selbst wenn ein solcher Kaufvertrag zwischen der Beklagten und irgendeinem Verkäufer über diese Domain existieren sollte, würde dies nicht zum Verlust der Inhaberschaft des Klägers führen. Zum Einen ist schon unklar, ob der Verkäufer überhaupt berechtigter bzgl. dieser Domain war. Dies wird von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Unabhängig hiervon wäre auch ein gutgläubiger Erwerb von Domain-Nutzungsrechten nicht möglich (vgl. Ernst MMR 2002, 714, 716).

Insbesondere ergibt sich kein für einen gutgläubigen Erwerb erforderlichen Rechtsstreittatbestand aus der Eintragung einer Person in der WHOIS-Datenbank. Diese genießt mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmung keinen öffentlichen Glauben (vgl. Hombrecher, MMR 2005, 647, 648). Im Ergebnis ist also der Kläger Inhaber der Domain geblieben.

4. Da der Kläger sein als verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum qualifiziertes Recht nicht ausüben kann, weil ihn die Beklagte durch die Verwendung der Domain faktisch von der Benutzung ausschließt, liegt eine Beeinträchtigung seines Eigentums durch die Beklagte vor. Die Beklagte ist Störer. Der Kläger hat aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB das Recht, von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung zu verlangen. Da die Beklagte sich weigert, der Eintragung des Berechtigten in die WHOIS-Datenbank zuzustimmen und diesem die Nutzung der Domain zu ermöglichen, ist sie antragsgemäß zu verurteilen. Die Beeinträchtigung ist nämlich auch rechtswidrig. Den Kläger trifft keine Duldungspflicht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 ZPO.

Meyer

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