Konsumiert der Geschäftsführer der Betreibergesellschaft eines Restaurants dort Speisen und Getränke in einem überschaubaren Rahmen (hier: 705.60 € in knapp sechs Monaten), ist davon auszugehen, dass das im Rahmen der Kundenpflege- und Prüfungstätigkeit geschieht. Der Abschluss eines Bewirtungsvertrags, der ihn zur Zahlung der Waren verpflichtet, ist damit regelmäßig nicht verbunden.
Streitwert: 3.362,15 €
Wir waren als Prozessbevollmächtigte des Klägers am Verfahren beteiligt
Amtsgericht Düsseldorf
Urteil vom 24.04.20, 44 C 48/19
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.362,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2018 zu zahlen,
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt als vormaliger Geschäftsführer aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau von der Beklagten die Rückerstattung von für Verbindlichkeiten der Beklagten aufgewendeten Beträgen.
Der Kläger war vom 8.08.2017 bis zum 25.03.2018 im Rahmen eines ehrenamtlichen Beschäftigungsverhältnisses Geschäftsführer der Beklagten. Am 29.09.2017 überwies der Kläger für die Beklagte, die zu diesem Zeitpunkt nicht über die notwendige Liquidität verfügte, fällige Sozialversicherungsbeträge in Höhe von insgesamt 1.871 EUR. Ebenfalls am 29.12.2017 überwies der Kläger eine fällige Stromabschlagszahlung von 26,00 EUR. Ebenfalls am 29.12.2017 überwies die Zeugin […] für die Beklagte fällige Sozialversicherungsbeiträge an die Bundesknappschaft in Höhe von 686,37 EUR und für eine Sondernutzungsgenehmigung an die Stadt 456,00 EUR. Weiterhin überwies die Zeugin […] für die Beklagte am selben Tag die Kosten für Stromlieferungen in Höhe von 1.160,00 EUR. Am 5.10.2017 beglich die Zeugin […] für die Beklagte eine Rechnung für Lebensmittel in Höhe von 1.068,01 EUR. Am 4.10.2017 entnahm der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten 500,00 EUR aus der Barkasse der Beklagten, welche er in Höhe von 409,75 EUR mit seiner Zahlung an die AOK und in Höhe von 90,25 EUR mit seiner Zahlung an die Barmer Ersatzkasse verrechnete. Am 5.10.2017 löste der Kläger das Geschäftskonto der Beklagten auf und verrechnete das Kontoguthaben mit seinen Restzahlungen auf Sozialversicherungsbeiträge in der Reihenfolge Barmer Ersatzkassse, TKK, BKK MH Plus, IKK und nachfolgend mit der Stromzahlung von 26,00 EUR sowie weiterhin mit den Zahlungen der Zeugin […] an die Bundesknappschaft, die Stadt Düsseldorf und mit der Zahlung für Stromlieferungen in Höhe von 249,96 EUR. Am 6.10.2017 zahlte der Kläger eine Rechnung des Insolvenzverwalters an die Beklagte für den Kauf von Betriebs- und Geschäftsausstattung nebst Warenvorrat und Firmierung in Höhe von 1.000,00 EUR. Am 24.11.2017 zahlte der Kläger für die Beklagte eine Weinlieferung in Höhe von 384,10 EUR. Mit Schreiben vom 5.04.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung von 3.362,15 EUR auf. In seiner Amtszeit als Geschäftsführer konsumierten der Kläger und die Zeugin […] Speisen und Getränke im Restaurant der Beklagten.
Der Kläger behauptet, die Zeugin […] habe ihre Erstattungsansprüche an ihn abgetreten. Das Guthaben des Geschäftskontos habe zum Zeitpunkt der Auflösung 2.790,00 EUR betragen. Der Konsum im Restaurant der Beklagten sei zum Zwecke der Testung von Speisen und Getränken und im Zusammenhang mit Kundengesprächen erfolgt.
Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.362,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.04.2018 zu zahlen.
Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, das Guthaben des Geschäftskontos der Beklagten habe sich bei Kontoauflösung auf 2.791 ,71 EUR belaufen. Sie behauptet weiter, der Kläger habe am 4.11.2017 in einem Umschlag 2.994,34 EUR in bar von der Zeugin […] erhalten. Hinsichtlich des zum Zeitpunkt der Zahlung bestehenden Kassenbestandes der Beklagten verweist sie auf den als Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 7.10.2019 vorgelegten Auszug aus dem Kassenbuch. Die Barzahlung sei auf die bis dahin für die Beklagte getätigten Aufwendungen des Klägers und der Zeugin […] erfolgt. Die Beklagte behauptet weiterhin, der Kläger habe im Zeitraum vom 14.10.2017 bis zum 25.03.2018 bei der Beklagten Speisen und Getränke im Wert von 705,60 EUR konsumiert. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist sie auf die als Anlagenkonvolut B 2 der Klageerwiderung beigefügten Rechnungen. Sie behauptet, Aufwendungserstattung sei vereinbarungsgemäß zwischen den Parteien ausgeschlossen gewesen. Bis zum 10.10.2017 habe der Kläger Speisen und Getränke in dem Restaurant jeweils bar bezahlt. Die Beklagte erklärt mit einer Rückerstattungsforderung in Höhe dieses Betrages nach der Reihenfolge des Alters der jeweiligen Rechnungsforderungen die hilfsweise die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Es ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Eine Zuständigkeit gemäß § 2 ArbGG liegt nicht vor. Denn es liegt kein Arbeitsvertrag vor. Der Kläger hat vorgetragen, ehrenamtlich tätig gewesen zu sein. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Unter den Begriff des Arbeitsvertrages gemäß § 611 a BGB fällt jedoch nur die entgeltliche Tätigkeit.
Der Kläger hat gegen die Beklagte in der tenorierten Höhe einen Anspruch auf Rückerstattung verauslagter Aufwendungen aus §§ 662, 670, 398 BGB.
Der Kläger ist auch hinsichtlich der ursprünglichen Ansprüche der Zeugin […] aktivlegitimiert. Er hat die entsprechende Abtretung durch die Zeugin […] durch Vorlage der entsprechenden Erklärung als Anlage SR 10 zum Schriftsatz vom 22.07.2019 nachgewiesen.
Der Kläger hat mit der Tilgung der Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber den Trägern der Sozialversicherungspflicht, gegenüber der Nord Stadtwerke GmbH, gegenüber dem Insolvenzverwalter und gegenüber der Ebrosia GmbH jeweils aus eigenen privaten Mitteln ein Geschäft der Beklagten und damit ein für ihn fremdes Geschäft wahrgenommen. Gleiches galt für die Zeugin […] im Hinblick auf die fälligen Sozialversicherungsbeiträge für die Bundesknappschaft, die Kosten für eine Sondernutzungsgenehmigung, die Kosten für Strom- und Lebensmittellieferungen.
Es war jeweils von einer Tätigkeit im Auftrag der Beklagten auszugehen. Der Kläger war zur Zeit der Tilgung der Verbindlichkeiten Geschäftsführer der Beklagten. Indem er der Gesellschaft Leistungen unentgeltlich zur Geschäftswahrnehmung erbrachte, hat er als Organ gleichzeitig sich selbst als Privatperson auch einen entsprechenden Auftrag erteilt. Selbst wenn von einem Auftrag nicht auszugehen sein sollte, war die Geschäftsführung jedenfalls im Sinne von § 683 BGB interessens- und willensgemäß. Die Tilgung von Verbindlichkeiten vermeidet Verzugs- und Vollstreckungskosten. Die Willensrichtung des Beklagten wurde zum Zeitpunkt der
Tilgung der Verbindlichkeiten durch die Willensrichtung des Klägers als Organ der Beklagten repräsentiert. Der Kläger wollte die Tilgung der Verbindlichkeiten, denn sonst hätte er sie nicht veranlasst.
Es resultiert der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers.
Der Anspruch ist auch nicht ganz oder teilweise gemäß S 362 Abs. 1 BGB durch Barzahlung der Beklagten am 4.11.2017 untergegangen. Die Beklagte hat die behauptete Barzahlung in Höhe von 2.994,34 EUR am 4.11.2017 nicht zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen vermocht. An der Richtigkeit der entsprechenden bestätigenden Aussage der Zeugin […] verblieben Restzweifel. Die Zeugin […] konnte nicht überzeugend erläutern, warum die behauptete Barzahlung am 1.11.2017 verbucht worden ist, wenn sie tatsächlich erst am 4.11.2017 erfolgt sein soll. Es fehlte auch ein nachvollziehbarer Anlass dafür, dass ein derart hoher Betrag in bar gezahlt worden sein soll, statt den Überweisungsweg zu wählen. Weiterhin hat die Zeugin zur Geldübergabe wenig detailreich berichtet. An der bekundeten Stückelung von hauptsächlich 50 EUR-Scheinen und zwangsläufig noch etwas Bargeld bestehen nicht unerhebliche Zweifel, da eine solche Geldmenge nur schwer in einen ganz normalen DINA5-Papierumschlag passen dürfte. Die Zeugin […] konnte auch keine nachvollziehbare Erklärung dafür liefern, dass der Betrag weder in ihrer und des Klägers Anwesenheit gezählt noch quittiert wurde, zumal die Eintragung im Kassenbuch nach den Bekundungen der Zeugin bereits drei Tage vorher, also gerade nicht anlässlich einer Auszahlung erfolgt ist. Obwohl die Zeugin[…] bekundet hat, ihrem Sohn, dem Zeugen Manuel […] im Vorfeld die Zahlung mitgeteilt zu haben, hat dieser dagegen ausgesagt, er habe von dem Außenstand erfahren und diesen seiner Mutter mitgeteilt. Diese habe dann irgendwann mal gesagt, dass die Zahlung erledigt sei. Der Umstand, dass der Zeuge Manuel […] derart unkonkrete Kenntnisse von dem Zahlungsvorgang hat, obwohl er nach den Angaben des Liquidators […] zum behaupteten Zahlungszeitpunkt Geschäftsführer der Beklagten war, begründet weitere Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin […]. Die Aussage der Zeugin wird zudem in ihrer Glaubhaftigkeit durch die entgegenstehende Bekundung der Zeugin […] erschüttert, die mindestens ebenso glaubhaft wie die Zeugin […] bekundet hat, an dem fraglichen Tag bis auf erkennbare Toilettengänge gemeinsam in den Räumlichkeiten der Beklagten gewesen zu sein und eine Geldübergabe nicht beobachtet zu haben. Ebenso wie die Zeugin […] ist auch die Zeugin […] keine unabhängige Zeugin. Sie war nach ihren eigenen Angaben zuvor mit dem aktuellen Liquidator der Beklagten liiert.
Der Aufwendungsersatzanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 389 BGB durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten in Höhe von 705,60 EUR untergegangen. Zwar hat die Beklagte gemäß § 388 BGB eine hinreichend bestimmte Aufrechnungserklärung abgegeben. Indes mangelte es an der erforderlichen Aufrechnungslage. Der Beklagten steht ein Vergütungsanspruch von Speisen und Getränken nicht zu. Von entsprechenden Bewirtungsverträgen zwischen dem Kläger und der Beklagten war nicht auszugehen. Für entsprechende konkludente Willenserklärungen fehlte es an dem erforderlichen Rechtsfolgewillen des Klägers. Ob eine Willenserklärung abgegeben werden soll, richtet sich jeweils nach den für eine Auslegung eines bestimmten Verhaltens heranzuziehenden Gesamtumständen. Der Kläger hat nach dem Vortrag der Parteien während seiner Geschäftsführertätigkeit im Geschäftsfeld der Beklagten Speisen und Getränke eingenommen. Der Umfang des Konsums entspricht der Üblichkeit einer Kundenpflege- und Prüfungstätigkeit. Es war somit davon auszugehen, dass der Kläger die Speisen und Getränke im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung als Geschäftsführer zu sich genommen hat. Vor diesem Hintergrund war mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht davon auszugehen, dass er mit der Beklagten entgeltliche Bewirtungsverträge abschließen wollte.
Die Beklagte hat ihre Behauptung, mit dem Kläger sei vereinbart worden, dass er Speisen und Getränke selbst bezahlen solle, nicht bewiesen. Die entsprechenden Bekundungen des Zeugen Manuel […] vermochten Restzweifel an der Richtigkeit der Beklagtenbehauptung nicht zu beseitigen. Die Aussage des Zeugen Manuel war schon nicht ergiebig in Bezug auf das betreffende Beweisthema. Der Zeuge hat nur sehr allgemein von Besprechungen im Restaurant berichtet, in denen die Rede von einem später einzurichtenden geldwerten Vorteil in Form von Kost gewesen sein soll. Ein geldwerter Vorteil in Form von Kost ist jedoch etwas anderes als die Unentgeltlichkeit von üblichen Speisen und Getränken im Rahmen einer Arbeitstätigkeit. Insoweit geht es um Spesen. Eine Abrede einer diesbezüglichen Kostenpflichtigkeit hat der Zeuge nicht geschildert. Über Unentgeltlichkeitsabreden in Besprechungen in der beratenden Anwaltskanzlei konnte der Zeuge des weiteren keine Aussagen treffen.
Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus § 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: 3.362,15 EUR