Peepshows im Internet

Tobias H. Strömer / April 1998

Pornographie darf im Internet angeboten werden, wenn sichergestellt ist, dass Kinder und Jugendliche keinen Zugriff auf solche Angebote haben. Aber dürfen auch Webcam-Bilder und pornographische Videofilme gezeigt werden?

Der Begriff »Pornographie« ist vielschichtig und auch von Juristen nur sehr unvollkommen zu definieren. Nach der ursprünglichen Begründung des Gesetzgebers müssen »pornographische Darstellungen nach ihrem objektiven Gehalt zum Ausdruck bringen, dass sie ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes bei dem Betrachter abzielen und dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstands eindeutig überschreiten«. Diese Definition ist mit Recht auf Kritik gestoßen, da sie mit den heute geltenden allgemeinen Wertvorstellungen und des sexuellen Anstands der Rechtsprechung keine praktikable Richtlinie liefert. Üblicherweise wird heute einfache Pornographie definiert als die »grobe Darstellung des Sexuellen in drastischer Direktheit, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden oder die Geschlechtlichkeit in den Schmutz ziehenden oder lächerlich machenden Weise den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt der geschlechtlichen Begierde oder Betätigung jedweder Art degradiert«.

Pornographisch ist eine Darstellung, wenn sie erkennbar anreißerisch und aufstachelnd auf das Geschlechtliche hinweist, z.B. durch entsprechende Stellungen, deutliches Hinlenken auf die Genitalien. Die isolierte Darstellung der primären Geschlechtsmerkmale oder sexueller Verhaltensweisen in sexuellen Aufklärungsschriften oder die bloße Schilderung des Geschlechtverkehrs alleine ist regelmäßig noch keine Pornographie. Umgekehrt werden als Pornographie in aller Regel gewertet die Verherrlichung von Perversitäten, die Vorführung von Anal- oder Oralverkehr, sexuelle Handlungen in Verbindungen mit Kot oder Urin, im Zusammenhang mit rassistischen Tendenzen oder an Leichen. Auch Erzeugnisse wie die St. Pauli-Presse sollen pornographisch sein. Die bloße Darstellung eines nackten menschlichen Körpers ist dagegen normaler Weise nicht pornographisch, auch nicht hinsichtlich seiner mitdargestellten erogenen Teile, auch wenn ein sexueller Reiz von ihnen ausgehen kann. Als Faustregel mag gelten: Dasjenige, was auch RTL und SAT-1 samstags abends im Fernsehen ausstrahlen ist nicht pornographisch, all das, was in der Videothek im für Erwachsene abgesperrten Teil angeboten wird, dagegen schon.

Verbreitung von Pornographie

Nun ist allerdings beileibe nicht so, dass das Zugänglichmachen von Verbreitung von Pornographie nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers per se verboten ist. Verboten ist nach den einschlägigen Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes und des Strafgesetzbuches - vereinfacht dargestellt - lediglich jede Verbreitungsform, die Jugendlichen den Zugriff auf solche Angebote ermöglicht oder erleichtert. Selbst so genannte harte Pornographie - das sind pornographische Schriften, die Gewalttätigkeiten oder Sodomie zum Gegenstand haben - dürfen an Erwachsene weitergereicht werden, soweit dies nicht gerade öffentlich geschieht. Generell untersagt ist aus gutem Grund dagegen jede Weitergabe, ja sogar der Besitz von Schriften, die den sexuellen Missbrauch von Kindern darstellen. Seit dem Inkrafttreten des Multimediagesetzes am 1. August 1997 gilt das selbst dann, wenn es sich lediglich um Fotomontagen handelt.

Streng genommen wäre es danach sogar verboten, solche Angebote aus dem Netz zu laden, um sie der Polizei als Beweismittel an die Hand zu geben. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen hat das Dilemma erkannt und verzichtet deshalb auf eine Strafverfolgung, wenn der Hobbyjäger den Datenträger mit den Schnappschüssen innerhalb von 48 Stunden bei der Polizei abliefert.

Eine weitere Einschränkung hinsichtlich der Verbreitung von Pornographie über Datennetze hat der ebenfalls im August vergangenen Jahres in Kraft getretene Mediendienste-Staatsvertrag der Länder mit sich gebracht. Das Gesetz verbietet es den Anbietern von Mediendiensten generell, Pornographie in ihr Angebot aufzunehmen. Betroffen hiervon sind im Internet diejenigen Anbieter, die in der Öffentlichkeit vor allem zur Meinungsbildung beitragen wollen, also vor allem die Herausgeber digitaler Zeitungen und Zeitschriften. Andere Internet-Anbieter dürfen einfache Pornographie grundsätzlich verbreiten, wenn sie für einen hinreichende Zugangssperre für Jugendliche sorgen und einen Jugendschutzbeauftragten bestellt haben.

Jugendschutz durch »Firewalls«

Das Strafgesetzbuch verbietet es, Jugendlichen unter 18 Jahren pornographische Schriften (dazu gehören auch Datenträger wie Festplatten) zugänglich zu machen. Ein solcher Zugang kann natürlich auch über das Internet eingeräumt werden. Die Rechtsprechung hat allerdings wiederholt entschieden, dass das Auslegen einer Schrift, die der Jugendliche nur in rechtswidriger Weise - zum Beispiel durch Aufreißen einer Plastikfolie - zur Kenntnis nehmen kann, kein »Zugänglichmachen« hinsichtlich der darin enthaltenen Pornographie darstellt. Zugänglich für Personen unter 18 Jahren sind danach nur solche Orte, die von ihnen ohne Überwindung rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse betreten werden können.

Die bloße Altersabfrage, wie sie derzeit im Internet an vielen Stellen zu beobachten ist, ist (natürlich) kein hinreichender Schutz. Überträgt man die bisherige Rechtsprechung auf den virtuellen Bereich, so reicht es allerdings aus, Schutzmechanismen einzubauen, nach denen üblicherweise Jugendliche ohne Überwindung von technischen Hindernissen oder rechtlichen Verboten keinen Zugang erhalten. Eine Möglichkeit bestünde darin, die Angabe einer Kreditkartennummer zu verlangen und vor der Freischaltung zu überprüfen, ob die Nummer zu der gleichzeitig angegebenen Adresse oder zumindest zum Verfalldatum paßt. Da die Anbieter von Pornographie im Internet Geld verdienen wollen, ist diese Art der Zugangsgewährung nach Online-Überprüfung der angegebenen Daten üblich geworden. Auch hier hat es sich herumgesprochen, dass die bloße Abfrage einer Bankverbindung ohne Prüfung der Richtigkeit der gemachten Angaben zahlungsunwilligen Zaungästen Tür und Tor öffnet und zudem zu erheblichem Ärger mit Staatsanwälten führen kann. Besser wäre es noch, zusätzlich ein weiteres Datum abzufragen, das auf der Karte selbst nicht ohne weiteres lesbar abgedruckt ist, etwa teile des Geburtsdatums. Die Kreditkartenherausgeber beschäftigen sich derzeit mit der Frage, ob ein Online-Check, der sich auch auf solche weiteren Daten erstreckt, angeboten werden soll.

Ein anderer Weg besteht darin, die Dienste sog. "Adult-Checks" meist US-amerikanischer Provenienz in Anspruch zu nehmen. Hier werden gegen geringe Gebühren an Erwachsene Kennwörter zentral vergeben, nachdem dies sich durch Übersendung von Fotokopien des Personalausweises identifiziert haben. Eine zugegebenermaßen umständliche Prozedur, die zu dem die große Gefahr in sich birgt, dass ein nach einer oberflächlichen Prüfung vergebenes Passwort fortan für eine Vielzahl verschiedener Dienste benutzt werden kann und so Vertrauenswürdigkeit nur vorspiegelt. Wer sich allerdings darauf beschränkt, den Zutritt von einer bloßen Altersabfrage abhängig zu machen und das Entgelt für seine Dienstleistungen dann mit der Telefonrechnung abzubuchen, wie es T-Online-Anbieter häufig tun, verdient zwar zuverlässig Geld, trägt den Anforderungen an gesetzlichen Jugendschutz aber sicherlich nicht Rechnung.

Soweit in der juristischen Literatur die Frage einer wirksamen Zugangssperre bereits diskutiert wird, werden die Anforderungen erstaunlicher Weise nicht sonderlich hoch gesteckt. Ausreichen soll bei Fernsehsendungen etwa die Codierung von Programmen, für die Sperrung von bestimmten Dateien die Einrichtung eines Passwortschutzes.

Strafen für unerlaubte Verbreitung

Deutsche Gerichte haben zu der Frage, inwieweit die Verbreitung von nicht jugendfreien Informationen im Internet oder in anderen Netzen strafbar ist - soweit ersichtlich - bislang nicht Stellung genommen. Zumindest sind zu der Frage keine Entscheidungen veröffentlicht. Die gesetzliche Regelung sieht für die Verbreitung pornographischer Schriften Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder Geldstrafen vor. Soweit es sich um »harte« Pornographie - also pornographische Schriften, die Gewalttätigkeiten, den sexuellen Missbrauch von Kindern oder sexueller Handlungen von Menschen mit Tieren zum Gegenstand haben - handelt, liegt die Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren. Die Erfahrung lehrt, dass die tatsächlich verhängten Strafen bei Ersttätern natürlich weit unter dem Höchstmaß bleiben. Maßgeblich ist dabei nicht nur die »Tagesform« von Richter und Staatsanwalt. Entscheidend sind die gesamten Umstände, wobei es sicherlich Berücksichtigung finden wird, dass erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage besteht, wie Jugendliche vor pornographischen Angeboten im Internet geschützt werden müssen. Auch die Tatsache, dass viele ausländische Anbieter solche Angebote »ungestraft« eingestellt haben, spielt eine Rolle. Soweit ein etwa angestrengtes Ermittlungsverfahren nicht bereits von der Staatsanwaltschaft - mit oder ohne Auflage - eingestellt wird, dürfte ein Anbieter, der sein Angebot immerhin mit Passwort schützt und auf »harte« Pornographie verzichtet, mit einer Geldstrafe davon kommen. Eine Freiheitsstrafe wird der Richter nur dann verhängen, wenn der Anbieter »skrupellos« vorgegangen ist und erhebliche Gewinne durch die Verbreitung von Pornographie eingestrichen hat.

Werbung für Pornographie

Sehr zum Leidwesen der Anbieter darf gegenüber Jugendlichen übrigens auch keine Werbung für Pornographie betrieben werden. Verboten ist auch das »Ankündigen« und »Anpreisen«. Pornographie-Anbieter dürfen deshalb nach deutschem Recht zwar darauf aufmerksam machen, dass Sie ein Angebot bereit halten, dass Erwachsenen vorbehalten ist. Unerlaubt ist es aber, bereits auf der Eingangsseite darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um Pornographie handelt.

Aber wie ist das denn, mag der Leser dieser Zeilen sich fragen, mit solchen Angeboten, die auf Internet-Servern im liberaleren Ausland abgelegt sind? Schließlich liegen solche Seiten nur einen Mausklick weit weg von den Bildern deutscher Anbieter. Die Antwort ist banal: Auch ausländische Angebote verstoßen eindeutig gegen deutsches Strafrecht, egal ob es sich um Pornographie, Gewaltverherrlichung oder Rassismus handelt. Entscheidend ist nämlich, dass die Seiten auch in Deutschland abgerufen werden können und dass deshalb Tatort (auch) jedes deutsche Kinderzimmer ist. Deutsche Staatsanwälte und Richter haben derzeit allerdings genug damit zu tun, Täter mit Wohnsitz in Deutschland aufzutun und zu verfolgen. Vom Ausland aus werden Peepshows und Nazispiele deshalb wohl noch eine ganze Zeit lang angeboten werden. Selbst dann, wenn die meisten zivilisierten Staaten sich eines Tages auf eine gemeinsame Toleranzgrenze einigen, werden wohl dauerhaft Schlupflöcher offen bleiben, etwa auf Antigua oder in Rumänien. Dort hat man andere Sorgen, als jugendgefährdende Inhalte im Internet.

Peepshows im Internet

Verboten sind nach dem Strafgesetzbuch indes auch öffentliche Filmvorführungen, soweit ein Entgelt überwiegend für den Film gezahlt wird. Auf das Alter der Zuschauer kommt es dabei nicht an. In Nachtclubs versucht man dieses Verbot bekanntlich dadurch zu umgehen, dass die »Gedecke« überteuert angeboten werden, während für die angebotenen Filme kein Entgelt verlangt wird. Erlaubt sind dagegen merkwürdigerweise ohne weiteres öffentliche Live-Darbietungen, etwa in herkömmlichen Peep-Shows oder auf Bühnen in Nachtclubs. Diesen Widerspruch halten viele zu Recht für völlig unangemessen und unverständlich.

Jedes Angebot von bewegten Bildern über das Internet wird zwangsläufig über eine Webkamera vermittelt. Die Anbieter verlangen von Ihren Kunden auch ein Entgelt gerade dafür, dass diese die Bilder abrufen. Dabei kann man allerdings sicherlich schon darüber streiten, ob es sich überhaupt um »Film«-Aufnahmen handelt, da der Gesetzgeber seinerzeit nur an Zelluloid-Aufnahmen und nicht an digitale Bilder gedacht hat. Im Urheberrecht etwa sollen deshalb digital aufgenommene Bilder nach Ansicht des Landgerichts Düsseldorf keine »Lichtbilder« sein. Verboten sind eben nach dem Gesetzeswortlaut lediglich öffentliche Filmvorführungen, nicht aber das Vorführen anderer Ton- und Bildträger. Auch das Vorführen pornographischer Lichtbilder kann nach dem Gesetz nicht bestraft werden, obwohl die Möglichkeit einer Jugendgefährdung hier natürlich nicht anders zu bewerten ist, als bei Filmen. Anders verhält es sich allerdings bei Streaming-Videos: Hier dürften nämlich die Voraussetzungen für einen Film erfüllt sein.

Gestritten wird im übrigen auch darüber, ob es sich bei Internetangeboten um »öffentliche« Darbietungen handelt. Voraussetzung hierfür ist nämlich die Möglichkeit eines gleichzeitigen Zusehens durch einen persönlich nicht verbundenen Personenkreis. Im Internet werden Datenpakete aber auf immer wieder anderen Wegen, also mit minimalen zeitlichen Unterschieden, an die Empfänger versandt. Das reicht nach Ansicht einiger Kommentatoren für eine Gleichzeitigkeit nicht aus. Ähnliche Probleme ergeben sich übrigens auch bei der (noch) verbotenen Vermittlung von Sprache in »Echtzeit« bei der Internet-Telefonie und - neuerdings - bei der Frage, ob Internetrechner gebührenpflichtige Rundfunkgeräte sind, weil man mit Ihnen Rundfunk in »zeitgleich« empfangen kann. Das Anbieten von Filmen, die jeweils nur eine Person gleichzeitig anschauen kann (Filmautomaten in Sexshops) ist, da nicht öffentlich dargeboten, ebenso zulässig wie Filmvorführungen in privaten Saunaclubs, in denen die Mitglieder einander persönlich kennen.

Zudem besteht bei Internet-Peep-Shows die Besonderheit darin, dass eine Interaktion mit den Darstellern möglich und erwünscht ist, die es bislang sonst nur in Live-Darbietungen gibt. Es handelt sich quasi um eine »interaktive Livesendung«.

Auch die Verbreitung von Pornographie durch »Rundfunk« ist zwar nach § 184 Abs. 2 StGB verboten. Die meisten Juristen, die sich bislang mit der Problematik befaßt haben, sind sich jedoch dahingehend einig, daß das Internet jedenfalls keinen "Rundfunk" darstellt. Jede andere Sichtweise ließe sich auch nicht mit dem im Strafrecht geltenden Analogieverbot vereinbaren. Hiernach können durch eine »Lückenfüllung« zuungunsten des Täters keine neuen Straftatbestände geschaffen werden. Der Diebstahl von elektrischer Energie war bis zur Einführung eines entsprechenden Straftatbestandes durch den Gesetzgeber deshalb zunächst straffrei, da Strom keine »Sache« ist.

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