ProxTube: Legal oder illegal?

Tobias H. Strömer / Mai 2012

youtube_sperreMusikvideos bei YouTube & Co. erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Es gibt kaum ein Titel, der auf solchen Musikplattformen nicht abrufbar ist. Immer häufiger laden auch die Rechteinhaber solche Videos hoch, weil sie dadurch eine Steigerung des Absatzes ihrer Musik-CDs versprechen. In aller Regel dürfte es sich allerdings um Filme handeln, die ohne Wissen und Wollen der Berechtigten verfügbar gemacht wurden. YouTube reagiert und sperrt solche Titel für den Abruf in Deutschland. Das Tool »ProxTube« soll Abhilfe schaffen.

    
Die GEMA geht als Vertreterin der deutschen Rechteinhaber gerade in den letzten Wochen und Monaten leidenschaftlich gegen solche Angebote vor. Im April 2012 erwirkte sie beim Landgericht Hamburg eine Entscheidung, mit der YouTube ausdrücklich untersagt wurde, Musiktitel ohne das Einverständnis der Berechtigten zugänglich zu machen. YouTube ist dazu übergegangen, (erst) nach einer Information über ein unrechtmäßig eingestelltes Musikvideo durch die GEMA eine IP-Sperre einzurichten. Wird das Video dann von einem Nutzer mit deutscher IP-Adresse aufgerufen, erscheint statt des gewünschten Songs lediglich ein Hinweis darauf, dass das Angebot in Deutschland nicht verfügbar sei.

 

Messerscharf folgert der eine oder andere aus diesem Hinweis, dass ein Abruf mit einer im Ausland vergebenen IP-Adresse möglich ist. Durch die bloße Nutzung von Proxy-Servern im Ausland kann die eingerichtete Sperre daher problemlos umgangen werden. Noch einfacher gestaltet sich die Umgehung durch den Einsatz eines Skripts, das YouTube vorgaukelt, der Besucher der Plattform komme aus dem Ausland. Derzeit macht ein von einem jungem Deutschen entwickeltes Programm von sich reden, das sich »ProxTube« nennt.

Um es vorweg zu nehmen: Die Bewerbung, der Download und der Einsatz eines solchen Programms sind selbstredend völlig legal. Es gibt kein Verbot, sich mit einer ausländischen IP-Adresse ins Internet einzuwählen. Zwar verbietet § 95a UrhG die Herstellung, den Vertrieb und sogar die Bewerbung von Programmen, mit denen technische Schutzmaßnahmen umgangen werden sollen. Gedacht ist dabei vor allem an Tools, mit denen der auf Datenträgern angebrachte Kopierschutz umgangen werden soll. Der Vorhang, den YouTube vor ein Musikvideo schiebt, sobald sich ein Nutzer mit deutscher IP-Adresse anmeldet, ist aber erkennbar keine solche Schutzmaßnahme. Wenn der Betreiber einer mit urheberrechtlich geschützten Werken gut bestückten Bibliothek oder Videothek abends sein Geschäft abschließt, kommt ja schließlich auch niemand auf die Idee, der Einbrecher, der sich nachts mit einem Dietrich Zugang zum Ladenlokal verschafft, umgehe dabei eine technische Schutzmaßnahme in Sinne des § 95a UrhG.

Das Dumme ist nur, dass der Aufruf eines Musikvideos am heimischen Rechner immer eine Vervielfältigungshandlung darstellt, die grundsätzlich nur dem Rechteinhaber und den von ihm autorisierten Nutzungsberechtigten vorbehalten ist. Im Speicher des Rechners beim Nutzer zuhause wird nämlich zumindest eine flüchtige Kopie des geschützten Werks abgelegt, während das Video betrachtet wird. Es bedarf daher einer rechtfertigenden Ausnahme, wenn ein Video gleichwohl legal angeschaut werden soll.

Viele leiten eine solche »Privilegierung« aus § 44a UrhG ab. Die Vorschrift erlaubt zwar in der Tat lediglich vorübergehende Vervielfältigung. Voraussetzung ist aber - und das wird auch von Juristen oft und gerne übersehen - dass ein solches Streaming ausschließlich dann zulässig ist, wenn sein alleiniger Zweck darin besteht, eine rechtmäßige Nutzung zu ermöglichen. Das ist natürlich bei Videos, die Raubkopien sind, gerade nicht der Fall.

§ 53 UrhG erlaubt allerdings Vervielfältigungen von Musikvideos, wenn sie ausschließlich zum privaten Gebrauch erfolgen. Das gilt allerdings nur dann, wenn die Kopiervorlage - also das bei YouTube eingestellte Video - nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt wurde. Bislang gehen die Gerichte davon aus, dass eine solche Offensichtlichkeit jedenfalls bei Angeboten in Tauschbörsen vorliegt. Auch auf Plattformen wie YouTube & Co. dürfen bislang vor allem rechtswidrig erstellte Angebote abrufbar gewesen sein. Das ändert sich allerdings zunehmend, weil eben auch die Rechtsinhaber selbst zu Werbezwecken ihre Werke online stellen. Unter Umständen lässt sich daher inzwischen durchaus vor Gericht darüber diskutieren, ob jedes Musikvideo bei YouTube tatsächlich »offensichtlich rechtswidrig« ist.

Über eins lässt sich allerdings wohl kaum diskutieren: Wenn YouTube bei einem Musikvideo ausdrücklich darauf hinweist, dass es aus urheberrechtlichen Gründen in Deutschland nicht gezeigt (und damit auch nicht konsumiert) werden darf, wird ein Besucher der Plattform wohl kaum mit der Behauptung gehört werden, er sei vom Einverständnis des Rechteinhabers ausgegangen. Gerade bei solchen Angeboten bleibt es also dabei, dass sie nicht abgerufen werden dürfen, wobei jedenfalls für Internet-Nutzer aus Deutschland natürlich das deutsche Urheberrecht maßgeblich ist, auch wenn sie sich mit einer ausländischen IP-Adresse anmelden.

Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass Programme wie »ProxTube« nicht verboten sind und deshalb ohne schlechtes Gewissen zur Verschleierung der Identität beim surfen im Internet auch eingesetzt werden dürfen. Nur darf das eben nicht ausgerechnet zu dem Zweck erfolgen, Musikvideos anzuschauen, die auf den ausdrücklichen Wunsch der Rechteinhaber gesperrt wurden. Solche Angebote darf man weder mit noch ohne entsprechende Tools aufrufen.

Der Vollständigkeit halber soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass bislang keine einzige gerichtliche Entscheidung bekannt ist, die sich mit einem bloßen Konsumenten eines YouTube-Videos befasst. Der Einsatz solcher »Anonymizer«, die ja die vom eigenen Provider zugeteilte IP-Adresse verschleiern, macht es natürlich auch den Ermittlungsbehörden nicht gerade einfacher, mögliche Täter einer Urheberrechtsverletzung zu ermitteln. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Musikindustrie inzwischen auch bei Google interveniert hat, Seiten zu sperren, auf denen ProxTube zum Download angeboten wird.

 

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